Mülheim. . Mitarbeiterversammlung in der Grugahalle: Sparten-Chef Meixner verkündet keine Details zum Stellenabbau bei Siemens. Die Enttäuschung ist groß.

Enttäuscht zogen hunderte Siemens-Beschäftigte der Standorte Mülheim, Duisburg und Essen am Freitagmittag nach der Mitarbeiterversammlung in der Essener Grugahalle von dannen: Sie hatten vom Vorstand „Klarheit“ zum geplanten Stellenabbau gefordert, doch sie erfuhren: „Nichts Neues!“.

Für den Mülheimer Betriebsratsvorsitzenden Pietro Bazzoli war die gemeinsame Veranstaltung mit den Kollegen aus Duisburg und Essen dennoch nicht zwecklos: „Ich glaube schon, dass die Veranstaltung auf das Management gewirkt hat und es sich zwischen Weihnachten und Neujahr überlegen wird, wie es künftig auftritt.“ Die Belegschaft habe in der Grugahalle deutlich gemacht, dass sie über die Standorte hinweg geschlossen auftrete und „konfliktfähig“ sei. „Im Januar werden wir Gesicht zeigen an allen Standorten“, so Bazzoli. Mit Spannung erwartet Bazzoli, ob der Vorstand sich dazu entschließt, vielleicht schon kurz nach Weihnachten Gespräche mit der Arbeitnehmerseite aufzunehmen.

Sparten-Chef Meixner schafft keine Klarheit

Während der knapp zweistündigen Mitarbeiterversammlung, die der Konzern zur Information der Belegschaft nutzen wollte, hatte der Chef der Kraftwerkssparte, Willi Meixner, Teilnehmern zufolge nur das referiert, was ohnehin schon bekannt ist: Laut Siemens AG stehen in Mülheim 641 Stellen zur Disposition, laut Lesart des hiesigen Betriebsrates sind es tatsächlich 100 mehr.

IG Metall-Bevollmächtigter Volker Becker-Nühlen sprach von einer enttäuschenden Vorstellung des Managements.
IG Metall-Bevollmächtigter Volker Becker-Nühlen sprach von einer enttäuschenden Vorstellung des Managements. © Fabian Strauch

Die Mitarbeiter, die sich nach der Veranstaltung überwiegend nur anonym äußern wollten, zeigten sich enttäuscht. „Die Investition in neue Produkte sieht man im Vorstand als Verlust, wenn für einen Euro Investition später nicht mindestens 5 Euro herausspringen“, sagte ein Beschäftigter aus dem Mülheimer Generatorenwerk. „Der Kapitalismus behandelt uns wie Dreck.“ Dass das Management sein Konzept ohne Abstriche durchziehen wolle, sei schon im Alltag erkennbar: „In unserem Werk wird bereits mit den Produkten aus Görlitz und Berlin geplant“, sagte der 44-Jährige. Er hält den Einfluss von IG Metall und Betriebsräten aktuell für „begrenzt“.

Gehalts-Plus fürs Management stößt sauer auf

Sauer stieß auch bei den Beschäftigten auf, dass sich der Siemens-Vorstand aktuell ein sattes Gehaltsplus einverleibt, die Vorstände insgesamt 34 Millionen Euro einstreichen. „Pervers“ sei das, „asozial“ auch, dass trotz der Milliardengewinne keine mitarbeiterfreundliche Alternative zum Stellenabbau in der Kraftwerkssparte gesucht werde. „Wenn ich erwarte, dass ich den Ägypten-Deal noch steigern kann, bin ich falsch unterwegs“, sagte einer. Kein Werk in NRW schreibe rote Zahlen, dann könne der Konzern die Standorte auch so weiterlaufen lassen.

Viele Siemensianer glauben, dass vor allem die jungen Mitarbeiter keine Perspektive haben. Ein 25-jähriger Azubi aus dem Dampfturbinen-Bereich war umso enttäuschter, dass der Freitag ihm keine neuen Informationen gebracht hat. Was er von der Veranstaltung mitnehme? „Dass wir bald arbeitslos sind“, sagte der angehende Konstruktionsmechaniker mit einiger Verbitterung. „Die sparen nur an den Arbeitskosten“, kritisierte er die Konzernführung. „Die wissen ja nicht erst seit gestern, dass die Welt auf erneuerbare Energien setzt.“ Das ist die verbreitete Meinung: Siemens habe die Energiewende verschlafen.

Befürchtung: Job-Verlagerung in Billiglohnländer

„Das heute war nichts“, soll Betriebsratschef Pietro Bazzoli dem Manager Meixner vor versammelter Belegschaft vorgeworfen haben. Und: Die Management sitze mit Dynamitstangen am Lagerfeuer. Am Ende werde es die Manager selbst treffen.

„Es tut unendlich weh“, sagte Kirsten Kröber, Disponentin im Dampfturbinen-Geschäft. Die 55-Jährige hat es kommen sehen, hat ihren Aufhebungsvertrag nach 37 Jahren im Konzern bereits unterschrieben. Vier Generationen ihrer Familie haben bei Siemens gearbeitet. „Ich werde die Letzte sein.“ Es mache keinen Spaß mehr. Die Verlagerung in Billiglohnländer, wie bei der Schaufel- und Ventilfertigung, werde sich fortsetzen.

>> IG METALL WILL „SCHRITT FÜR SCHRITT VORGEHEN“

Auch Mülheims IG Metall-Bevollmächtigter Volker Becker-Nühlen zeigt sich enttäuscht von den Aussagen des Managements. „Wir werden jetzt überlegen, wie wir Schritt für Schritt vorgehen werden“, sagt er voraus, dass die Pläne zum Stellenabbau monatelang Thema bleiben werden. Von Essen gehe das wichtige Signal aus, dass die Belegschaft sich nicht spalten lasse.