Mülheim. Feuerwehreinsatz brachte Sache ins Rollen. Obdachlos gewordene Bewohner dürfen nicht zurückkehren. Laut Stadt hielten sie sich illegal dort auf.

  • Während einer Grillparty warein 20 Meter hoher Baum auf ein hölzernes Wohnhaus gestürzt
  • Das hatte die Stadtverwaltung aufhorchen lassen. Nun heißt es: Das Haus war illegal bewohnt
  • Nur der Pächter sei dort wohnberechtigt; die Vorgeschichte reicht zurück bis in die Nachkriegszeit

Wenn in China der berühmte Sack Reis umfällt – sei’s drum. Wenn in den Tiefen des Uhlenhorster Waldes ein Baum umstürzt. . . Dann kann die Stadtverwaltung schon einmal hellhörig werden. So geschehen, als am 13. August in der Siedlung Jakobsbrunnen, gelegen östlich der A3 in Höhe von Duisburg-Bissingheim, während einer Gartenparty ein 20 Meter hoher Baum auf ein hölzernes Wohnhaus stürzte und die Bewohner von einer auf die andere Minute obdachlos machte. Das Haus, so die Erkenntnis im Rathaus, war illegal bewohnt. Die Siedlung sei schließlich ein Auslaufmodell.

Rückblick: Der Feuerwehreinsatz am besagten Sonntagabend hatte die Sache ins Rollen gebracht. Die Feiernden im Hinterland der waldwegähnlichen Straße Erlenbruch waren mit dem Schrecken davongekommen, als der offenbar morsche Baum auf das Holzhaus fiel. Sie hielten sich beim Grillen im Garten auf. Ein Statiker legte schließlich fest, dass das Haus ab sofort unbewohnbar sei. Die Bewohner kamen bei Bekannten unter.

Und sie werden, so Baudezernent Peter Vermeulen, auch nicht mehr in das Haus zurückkehren können, weil eine Sanierung ausgeschlossen sei.

Nur Pächter ist nutzungsberechtigt

Denn bei der Überprüfung im Rathaus sei aufgefallen, dass die Familie dort gar nicht hätte wohnen dürfen. Nutzungsberechtigt sei nur der Pächter jenes städtischen Grundstücks, es sei geregelt, dass er Wohnräume nicht vermieten dürfe. Nur der Pächter sei, bis zu seinem Ableben oder zur Kündigung des Pachtvertrags, dort in der beschaulichen, zumeist blickdicht abgeschirmten Waldsiedlung wohnberechtigt.


Die Zufahrt zu der beschaulichen, blickdicht abgeschirmten Waldsiedlung, deren besondere Geschichte kurz nach dem Krieg begonnen hat.
Die Zufahrt zu der beschaulichen, blickdicht abgeschirmten Waldsiedlung, deren besondere Geschichte kurz nach dem Krieg begonnen hat. © Oliver Mueller

Hinter all dem steckt eine lange Vorgeschichte. Laut früherer Darstellung der Verwaltung hatte die Stadt nach dem Krieg rund 100 000 Quadratmeter Land zwischen Tannenweg und Erlenbruch als Grabeland freigegeben. Die Pächter durften wegen der allgemeinen Wohnungsnot kleine Häuschen errichten, kaum größer als ein Geräteschuppen. In den folgenden Jahrzehnten schaute die Stadt offensichtlich nicht so genau hin, was sich vor Ort tat. Aus kleinen Wohn-Provisorien erwuchsen mitunter schmucke Domizile.

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Im Jahr 2000 war die Stadtverwaltung dann doch einmal aufgeschreckt, als in Zeitungsinseraten plötzlich kleine Villen im Grünen gelegen an der Tannenstraße, zu erschwinglichen Preisen zur Untervermietung angeboten wurden. Durch die Pachtverträge seien Untervermietungen ausgeschlossen, hieß es schon damals, als vor Ort schon manches aus dem Ruder gelaufen sein soll. Die Rede war davon, dass Mieter der Siedlung über Preiswucher klagten, auch über nicht umweltgerechte Abwasserentsorgung.

Rudimentäre Ver- und Entsorgung

Die Ver- und Entsorgung vor Ort, heißt es im Technischen Rathaus, ist bis heute nur rudimentär angelegt. Weil sich die Vermietungen in der Siedlung schon damals im rechtsfreien Raum befanden, so ist in einem alten Bericht dieser Zeitung nachzulesen, musste seinerzeit die Polizei öfter wegen eskalierender Nachbarschaftstreitigkeiten ausrücken. Schon Anfang des Jahrtausend erklärte die Stadtverwaltung, dass sie die städtischen Grundstücke vor Ort absehbar räumen und wieder waldgerecht aufforsten wolle. Offensichtlich hat sie jenes Ziel bis heute aber nicht energisch verfolgt. In der Siedlung gibt es laut aktueller Auskunft des städtischen Immobilienservice heute noch 22 Gebäude, davon elf auf Pachtgrundstücken der Stadt. „Zwei sollen in Kürze niedergelegt werden“, heißt es. Von fünf Pächtern ist die Rede. Und: „Immer wenn ein Nutzungsverhältnis ausläuft, werden die Gebäude niedergelegt und die Fläche renaturiert.“

Der aktuelle Fall ist laut Stadtverwaltung derzeit noch in Prüfung. Laut Baudezernent Vermeulen wird nun auch zu klären sein, wer für den Abbruch des Hauses herangezogen werden kann. Die Stadt will diesmal offenbar kein Auge mehr zudrücken.

>>> Stadt schafft es nicht, alle Grundstücke zu prüfen

„Ich kann niemanden ermuntern, schwarz zu bauen “, sagt Baudezernent Peter Vermeulen. Der aktuelle Fall zeige, dass über kurz oder lang „jeder auffliegt“.

Gleichwohl, sagt Vermeulen, sei es für die Stadtverwaltung unmöglich, systematisch alle bebauten Grundstücke zu überprüfen , ob dort rechtskonform gebaut worden sei. „Wir können nur anlassbezogen prüfen, alles andere ist personell nicht zu leisten.“

Speziell zur Siedlung Jacobsbrunnen sagt Vermeulen, dass rechtswidrige Vermietungen dort nicht auffallen konnten, weil sein Dezernat über Wohnsitz-Meldungen des Einwohnermeldeamtes aus Gründen des Datenschutzes nicht informiert werde.