Mülheim. Los geht es mit dem Abschnitt zwischen Gracht und Kattowitzer Straße. Stadt investiert 2,8 Millionen Euro, eine Förderung gibt es nicht
- Kanalbau für den Rumbaum beginnt am 9. September
- Klage des Forums und eine Vergabebeschwerde hatten für Verzögerung gesorgt
- Mit Verkehrsbehinderungen ist in den nächsten 22 Monaten zu rechnen
Der Zuschlag erteilt, die Firmen beauftragt und die Nachbarn informiert. Umweltamtsleiter Jürgen Zentgraf hat keinen Zweifel, dass an der Essener Straße am 5. September mit dem Kanalneubau für den Rumbach begonnen werden kann. Die Großbaustelle, die für fünf Jahre auf einer Strecke von 1,3 Kilometern zwischen Walkmühlenstraße und Kaiserplatz den Verkehr behindern wird, sollte bereits vor zwei Jahren beginnen, doch zunächst verhinderte das Forum mit einem juristischen Kniff die Umsetzung und dann gab es noch eine Vergabebeschwerde eines bei der Ausschreibung unterlegenen Unternehmens.
Die Vergabekammer, die binnen sieben Wochen entscheiden muss, habe auch nach zwei Jahren noch keine Entscheidung getroffen, bedauert Zentgraf. Sie sei schlicht überlastet. „Es gibt jetzt immerhin Schriftverkehr mit der Kammer. Sie bearbeitet den Fall also, aber eine Entscheidung ist noch nicht in Sicht.“ Deshalb zieht die Stadt einen anderen Bauabschnitt vor, obwohl das die Bauabwicklung erschwert. Im zunächst geplanten Bereich (Tourainer Ring bis Gracht) kreuzt die U-Bahn die Straße.
Zwischen Tunnel und Fahrbahn sind nur 3,20 Meter Platz. „Das ist die kritischste Stelle“, sagt Uwe Szukat vom beauftragten Ingenieurbüro. „Das ist wirklich eng und es kommt auf jeden Zentimeter an.“ Deshalb wäre es sinnvoll, auch dort zu starten. Sobald die Vergabekammer grünes Licht erteilt und falls es der Verkehrsfluss aus Sicht des Tiefbauamtes zulässt, sollen die beiden Bauabschnitte auch parallel realisiert werden.
Ökologische Aufwertung
22 Monate Bauzeit sind zunächst für die 430 Meter zwischen Kattowitzer Straße und Gracht vorgesehen, die wiederum in vier Teilabschnitten unterteilt sind, damit die Verkehrsbehinderungen so gering wie möglich ausfallen. Im direkten Baustellenbereich wird in jede Fahrtrichtung eine Spur zur Verfügung stehen, da bei der Verlegung der Rohre mit einem Außendurchmesser von 2,50 Meter für die Baustelleneinrichtung viel Platz benötigt wird. „Wir hätten es gerne für die Baufirmen etwas komfortabler gehabt“, sagt Szukat. Die Baustelle sei insgesamt ziemlich knifflig, weil viele Leitungen und Kanäle die Strecke kreuzen. „Da ist richtig viel los“, sagt der Ingenieur. Blindgänger seien weniger wahrscheinlich, der Kampfmittelräumdienst habe das Gelände bereits überprüft.
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Zuschüsse gibt es für den Bau, den die Bezirksregierung seit Jahren fordert, allerdings nicht. Der Gebührenzahler muss die 2,8 Millionen für den ersten Abschnitt ebenso tragen wie die 10 bis 11 Millionen für das Gesamtprojekt, kündigt Zentgraf an. Der neue Kanal ist aus mehreren Gründen nötig. Der bestehende, 1928 gebaute Kanal ist in die Jahre gekommen. 2008 brach ein Stück an der Kämpchenstraße ein. Das zeigte, wie dringend der Neubau ist. „Inzwischen ist die halbe Innenstadt mit der Regenwasserentsorgung angeschlossen“, sagt er. Da Starkregenereignisse zunehmen, reicht das Volumen nicht.
Der neue Kanal muss aber auch ökologische Mindestanforderungen erfüllen und eine Durchgängigkeit für Fische sicherstellen. „Die Fische sind vorhanden, das wissen wir“, erzählt der Umweltamtsleiter. Bislang können die 30 bis 40 Zentimeter großen Tiere, die Laichplätze suchen, von der Ruhr nur bis Höhe Forum schwimmen. Dort blockiert eine gut vier Meter hohe Kaskade den weiteren Weg. Die natürliche Besiedelung des Rumbachs soll auch gezielt gefördert werden. Gläserne Schachtabdeckungen sollen an geeigneten Stellen die Sicht auf das neue Leben ermöglichen.
Der Rumbach belebte die Industrie
Die herausragende Bedeutung, die der Rumbach rund 250 Jahre als Lebensader für das Aufblühen Mülheims und dessen Wirtschaftsentwicklung hat, ist mit seiner Kanalisierung in Vergessenheit geraten. 1808, im Jahr der Stadtgründung, ist er der unverzichtbare Wasserlieferant für Lederfabriken und das einzige Antriebsmittel für Manufakturbetriebe (z. B. Öl-, Getreide-, Papier-, Farbstoff-, Loh- und Walkmühlen).
Der Rumbach gehört damals – neben der Ruhr – zum Mittelpunkt des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens in Mülheim. Der Rumbach fließt vor 200 Jahren offen mitten durch das heutige Stadtzentrum – jetzt kaum noch vorstellbar. In der Leineweberstraße, im Kohlenkamp, neben der Wallstraße und der Schollenstraße schießt die Industriebrühe an den Haustüren vorbei – bei Hochwasser sofort in die Keller. Mülheims wichtigster Bach mündet zu dieser Zeit in einen „Fabriks-Kanal“, der parallel zur Ruhr verläuft und erst 150 Meter weiter nördlich in die Ruhr übergeht – ungefähr dort, wo heute die Eisenbahnbrücke steht.
Mitte des 19. Jahrhunderts wird dieser Fabrikkanal zugeschüttet und zur Ruhrstraße ausgebaut. Heute liegt dort die Promenade. Der Rumbach erhält dabei vor seiner Mündung einen gemauerten Kanal und das schmutzige Wasser gelangt auf kurzem Weg in die Ruhr.
Mit den Mühlen am Rumbach ist die Stadt zu ihrem Namen gekommen. Der Name „Mulinhem“ taucht bereits früh, 1093, in einer Urkunde des Klosters Werden auf. Die Deutung des Namens als „Heim der Mühlen“ weist auf die vielen Mühlen an den Bächen hin.
Um 1831/33 sind 17 Mühlen im Stadtgebiet erfasst, 1858 sind 24 Wasserräder mit Kraftübertragung zu den angeschlossenen Werken. Dazu gehören die Walkmühle (1934 geschlossen, heute ein Lokal), die Wetzmühle (1498 bis 1954 in Betrieb), deren Bezeichnung ihre Aufgaben dokumentiert. Am Oberbach folgen die Gerbereien von Kolkmann, Schürmann, Fabri – danach Vogt- und Schleifkothenmühle. Am Kaiserplatz stehen sich Gerberei Coupienne und Althofmühle gegenüber. Acht weitere Gerbereien folgen in der Innenstadt. Vor der Mündung rotieren drei Räder der „Oligs-Mühl im Werth“, vom Rumbach gespeist. Werth ist die alte Bezeichnung für Insel. Die Mühle steht wahrscheinlich ab 1730 an der heutigen Ecke Schollen-/Ruhrstraße. Die Namen der Mühlenbetreiber sind über viele Generationen teilweise noch heute mit der Stadt verbunden.
Die meisten Mühlen der Stadt liegen am Rumbach. Wegen regelmäßiger Überflutungen übernehmen Kommune und Firmen die Kosten für eine schrittweise Kanalisierung des Rumbachs, die sich über 150 Jahre zieht. 1957 mauern Handwerker von der Essener Straße bis zur Ruhr einen 3,5 Meter hohen Kanal, durch den ein VW-Käfer fahren kann. Bald folgt ein neues Rohr unter Dickswall und Essener Straße.
Der „Ruhmbach“ entspringt in Essen-Haarzopf, fließt am Flughafen vorbei – ab der Stadtgrenze heißt er Rumbach – durch Raadt, das Holthauser Rumbachtal, unter der Innenstadt über 7,4 Kilometer zur Ruhr. Seit 60 Jahren verschwindet der offene Bach hinter dem Teich der Wetzmühle im Kanal. „Bei Schneeschmelze und Starkregen setzte der Rumbach viele Straßen unter Wasser. Er rumorte und bekam so seinen Namen“, heißt es. Frank-Rainer Hesselmann