Mülheim. Die Industriekultur des Ruhrgebiets inspiriert viele Fotografen. Ulrich Wolf möchte mit den Bildern neue Blicke auf bekannte Motive ermöglichen.

Ulrich Wolf ist ein Mann für Details. Als Fotograf sucht er die Nähe zu seinen Motiven und Perspektiven, die es ermöglichen, Altbekanntes neu zu sehen. „Ich nehme einen Teil auf und verweise auf das Ganze.“ So haben seine Industrie-Fotografien trotz der eng gewählten Ausschnitte hohen Wiederkennungswert. Zwölf dieser Aufnahmen – etwa von Mülheims Stadthalle, Essens Zeche Zollverein und Duisburgs Landschaftspark – fasste der Speldorfer in einem Kalender zusammen.

Die Industriekultur der Region inspiriert viele Fotografen – das weiß Ulrich Wolf. Er nimmt es als Ansporn, aus der Masse herauszustechen und einen „anderen Blick“ zu suchen. Den vermisste er selbst lange. In einem Unternehmen war er früher für Vertrieb und Marketing zuständig, schaute als Konsument auf Bilder und fand zu viel Austauschbares, immer Dasselbe.

„Ich dachte, das muss doch anders gehen.“ Ulrich Wolf setzt nun auf das Licht, um sich zu unterscheiden. Nahaufnahmen im Dämmerlicht haben es ihm angetan, die Farben, die Stimmung der blauen Stunde. „Ich mag es, wenn sich Motive aus einem dunkleren Umfeld lösen.“

Passenderweise war es das Licht in engen Einkaufsgassen von Marrakesch, das ihn 2006 bewegte, sich ernsthaft mit Fotografie zu beschäftigen. Im Marokko-Urlaub wollte er die Szene festhalten, hatte aber die falsche Ausrüstung. „Danach habe ich investiert und mich intensiver damit befasst.“ Auch weil sich Fototechnik wandelte, sagt er: „Ich bin ein ungeduldiger Mensch. Die analoge Fotografie war nie etwas für mich. Die Digitalfotografie erlaubt es mir, schneller zu lernen und Fortschritte zu machen.“

Berufliche Kontakte zur Schwerindustrie nutze er zunächst, um in Werkshallen zu fotografieren. Die Industriekultur kam hinzu; er besuchte Workshops, machte Fotoreisen. Die Reisefotografie ist sein zweiter Schwerpunkt. Dabei interessieren ihn Menschen mehr als Landschaften. Wieder bevorzugt der 56-Jährige die Nahaufnahme, porträtiert Menschen in nicht gestellten Situationen. Inszeniertes mag er nicht. Auch nicht, wenn er bei Jazzkonzerten fotografiert. Gesichter in Großaufnahme bestimmen diese Bilder. Bewegen möchte er den Betrachter, Assoziationen, Gefühle, Erinnerungen wecken. „Das Bild ist nur der Auslöser, der andere Bilder in die Köpfe holt.“

Inzwischen ist Ulrich Wolf nur noch als Fotograf tätig. Im Dezember reist er nach Myanmar und will sich an einer Fotoreportage versuchen. „Mich reizt die Herausforderung, in wenigen Bildern eine Geschichte zu erzählen.“ Doch die Industriefotografie bleibt ein Schwerpunkt – auch weil sie sich gut verkauft. Der in den Achtzigerjahren verbreitete, peinlich berührte Blick auf das Ruhrgebiet sei echtem Patriotismus gewichen, sagt Wolf. Die Resonanz auf seinen Kalender sei da gut. Und das nächste Projekt ist schon in Arbeit: Pott-Postkarten.