Essen. . Thomas Prochnow bemalt und fotografiert Räume, die als vergessen gelten. Eine Ausstellung im Portal der Industriekultur zeigt nun seine Werke.
Stillgelegte Industriegebäude, verlassene Bunker oder zerfallene Häuser – für die meisten wahrscheinlich nicht gerade das, was sie sich unter einem Kunst-Schauplatz vorstellen. Für Thomas Prochnow aus Berlin schon. Seit 2005 liegen die sogenannten Lost Places im Fokus des jungen Künstlers. „Diese Orte sind der Öffentlichkeit zwar zugänglich, aber normalerweise sucht sie niemand auf“, erklärt Thomas Prochnow. Er bezeichnet sie daher auch als „Zweiten Öffentlichen Raum“. So heißt auch die Foto-Ausstellung, die er ab Samstag im Portal der Industriekultur auf dem Zollverein-Gelände gibt.
Der 37-jährige Prochnow hat in Dresden Freie Kunst studiert und war Meisterschüler. Eine wichtige Rolle in seinen Arbeiten spielt aber auch seine Vergangenheit als Graffiti-Künstler. Denn: Prochnow verändert die Lost Places, die er besucht. Erst bemalt er sie – meist mit einem Sprühlack – dann fotografiert er sein Werk. „Manche Orte besuche ich immer wieder, über mehrere Jahre, bis ich weiß, was ich dort machen will“, erzählt Prochnow. „Ich überlege, was mich an dem Raum interessiert, was ihn für mich spannend macht.“ Dann entscheide er sich für ein Konzept: eine oder mehrere Farben, die er auftragen will, ein geometrisches Muster. „Meistens nehme ich das auf, was mir der Raum vorgibt: Ein rundes Fenster wiederhole ich mit einem Kreis oder eine Fliesenwand mit einem Quadrat.“ Die Formen sprüht er mit buntem Lack an die Wand oder klebt sie mit Folien auf den Boden. „Am Ende steht dann immer ein Foto, das ich mache.“
Thomas Prochnow war auch auf dem Zollverein-Gelände aktiv
Thomas Prochnow und Kurator Thomas Kuta wollten auf der Ausstellung aber nicht nur Fotos zeigen, es sollte „auch was passieren“. Prochnow machte sich daher auf dem Zollverein-Gelände auf die Suche nach einem Lost Place: Im August bemalte er die Fenster im Stellwerk. „Die Herausforderung hier war, dass sie Farben entfernbar sein mussten“, erklärt der Künstler. Da er auch sonst gerne mit Standardformaten wie der DIN-Norm arbeite, habe er den Farbkreis an die Scheiben gepinselt. „Um halb sechs morgens habe ich dann das perfekte Licht gehabt, um mein Foto zu schießen.“ Dieses hängt nun mit etwa 20 bis 30 anderen Werken im Portal der Industriekultur. Der Titel: „Vitamin“, ein Song der Chemnitzer Band Kraftklub.
Obwohl er am liebsten alleine arbeite, habe Prochnow gelegentlich Beobachter: „Ein paar Mal sind mir Geocacher begegnet.“ Die könnten oft nicht verstehen, warum er mehrere hundert Euro ausgibt, um eine Ruine mit Farbe zu bemalen. Ein Mal sei auch der Besitzer eines Gebäudes aufgetaucht. Zu Prochnows Erleichterung habe er gesagt: „Ach Sie sind der, der die Räume hier so schön macht.“ Denn: Was Prochnow macht, ist streng genommen illegal. „Normalerweise kehre ich auch nicht an die Orte zurück“, sagt Prochnow. Wie in der Graffiti-Szene bliebe er anonym. Durch die Ausstellung in Essen dürfte sein Name als Künstler allerdings bekannter werden.