Mülheim. . Sven Nöthel und sein Team von „Am Kamin“ haben sich in den Guide Michelin gekocht. Abheben wollen sie deswegen aber nicht. Ihre moderne regionale Küche setzt auf Aromen-Vielfalt.
Als das Telefon klingelt, sitzt Sven Nöthel gerade in einem Gespräch. „Sonst würden mich meine Mitarbeiter nie unterbrechen“, erzählt er. Diesmal aber tun sie es. Denn der Anrufer überbringt eine besondere Botschaft: Sven Nöthel und sein Team des Restaurants „Am Kamin“ werden mit einem Stern im Guide Michelin ausgezeichnet, dem renommierten Restaurant-Führer.
Sehr gerührt sei er in diesem Moment gewesen. Mutter Heike Nöthel-Stöckmann gibt zu: „Ich habe geweint vor Freude und Stolz.“ Schließlich ist Nöthel mit 27 Jahren nun einer der drei jüngsten Sterneköche Deutschlands. Abheben will er deswegen aber nicht.
Nicht nur Hummer oder Kaviar
Etwas müde ist der Küchenchef an diesem Freitag. Kein Wunder, schließlich haben sie noch lange gefeiert bei der Verleihung am Donnerstag in Berlin. Seitdem bimmelt sein Handy – Freunde, Bekannte und Gäste wollen gratulieren. „Viele freuen sich mit uns.“ Auch wenn sie vorher schon gut gebucht waren – nun wollen noch mehr einen Tisch in dem urigen Fachwerkhaus reservieren.
Dieses soll aber weiter offen stehen für alle Gäste, denn er weiß: „Ein Stern kann abschrecken“. „Am Kamin“ soll kein abgehobenes Restaurant sein, „sondern ein Ort, an dem sich jeder wohlfühlt“, sagt Inhaberin Heike Nöthel-Stöckmann. Sohn Sven ergänzt: „Ich glaube, dass auch diese lockere Atmosphäre ein Grund war, warum man uns ausgezeichnet hat.“
Die Köche servieren das Essen selbst
Der neue Guide Michelin für 2016 hat insgesamt 45 Restaurants in NRW ausgezeichnet. Info: restaurant.michelin.de
Im „Am Kamin“ bringen die Köche die Speisen übrigens selbst zu den Gästen. „Wir können eben am besten die Gerichte erklären.“ Das Restaurant befindet sich im Winkhauser Wohngebiet am Striepensweg 62. Info: restaurant-amkamin.de
Moderate Preise
So sollen auch die Preise bleiben. Ein Vier-Gänge-Menü etwa liegt bei 59 Euro. Dafür gibt es Kreationen, die „modern, regional und aromenreich sind“, wie es Sven Nöthel beschreibt. Da trifft Blutwurst auf Sardelle mit roter Beete und Mandarine oder geräucherte Jakobsmuschel mit Navette auf Dörrobst und Bouillabaisse. Sterneküche bedeute nicht nur Hummer, Trüffel oder Kaviar zu servieren. Daher stehen auch klassische Gerichte auf der Speisekarte, etwa ein Gänse-Menü oder „Sauerbraten mit Grünkohl, Kerbelwurzel und Maische“.
Die Küche ist dabei das Experimentierfeld des guten Geschmacks, in dem sich die vier Köche ausprobieren, immer wieder neue Kreationen entwerfen. „Wir setzen uns intensiv mit dem Produkt und seiner Textur auseinander, arbeiten z.B. mit verschienen Wärmegraden“, erklärt Nöthel. Als Alleinstellungsmerkmal sieht er auch die alkoholfreie Getränkebegleitung – mit Eigenkreationen wie Liebstöckel-Orange, Minz-Limonade oder Apfel-Malzbier.
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Familienbetrieb umgekrempelt
Vor 23 Jahren übernahm Heike Nöthel-Stöckmann den Betrieb von ihren Eltern, seit fünf Jahren leitet Sohn Sven nun die Küche des Restaurants. „Meine Mutter und ich haben den Betrieb anfangs alleine geschmissen“, erinnert er sich. Sehr stolz sei er daher, dass sie es in so kurzer Zeit bis nach oben geschafft haben. Zielstrebig krempelte er die Küche um, bis der Gault Millau ihn vor zwei Jahren mit 16 Punkten auszeichnete – die hält er bis heute. „Mein Ziel war es immer, einen Michelin-Stern zu bekommen.“ Das nächste Ziel? „Einen zweiten Stern zu erreichen.“
Immerhin habe es seit mindestens 20 Jahren kein Sternelokal mehr in Mülheim gegeben. Daher freue er sich als echter Lokalpatriot auch für die eher überschaubare Gastronomieszene seiner Heimatstadt. Das „Am Kamin“ will er also so schnell nicht verlassen. „Hier bin ich angekommen“, sagt Sven Nöthel. „Und möchte bleiben.“