Mülheim. . Das Mülheimer Ehepaar Thien Dang und Mai Lien haben ihre Wurzeln in Vietnam. Ihre Familien flüchteten 1980.

„Es war wie ein schwimmendes Gefängnis.“ Thien Dang kann sich selbst nicht mehr daran erinnern, denn er war erst drei Monate alt, als seine Familie aus Vietnam geflohen ist. Das war vor 35 Jahren. Trotzdem sind ihm natürlich die Erzählungen seiner Eltern sehr bewusst. Hals über Kopf haben sie 1980 Vietnam verlassen. Unter dem kommunistischen Regime sahen sie für sich keine Zukunft mehr.

„Wir sind Katholiken. Dort gibt es aber keine Religionsfreiheit“, berichtet er. Über ihre Fluchtpläne haben seine Eltern niemandem etwas erzählt. Zu groß war die Gefahr, dass sich jemand verplappert und alles auffliegt. Und dann schließlich die Flucht: Die Unberechenbarkeit des Chinesischen Meeres., die ständige Angst, wenn ein großes Schiff am Horizont erscheint – sind das Piraten? Die Polizei? Oder doch etwas ganz anderes: Rettung?

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Und damit sind wir bei der anderen Seite dieser Flüchtlingsgeschichte, die nicht von der Angst erzählt, sondern von Hilfe, Unterstützung, ja von Rettung eben. 1979 gründet der deutsche Journalist Rupert Neudeck das Komitee Cap Anamur. Unter der Überschrift „Ein Schiff für Vietnam“ sammelt er zusammen mit vielen prominenten Unterstützern Geld für ein Schiff, das die vietnamesischen „Boat people“ auf See auflesen und sicher in die Freiheit bringen soll. Durch die Cap Anamur werden in den folgenden Jahren 10 375 Vietnamesen gerettet.

Unter ihnen auch die Familien von Thien Dang und seiner Frau Mai Lien.

Bild von Rupert Neudeck im Haus

Auch heute noch hängt ein Bild von Rupert Neudeck bei ihnen in der Wohnung. „Er ist unser Held“, sagt die 30-Jährige. Und auch so etwas wie ein Vorbild. Als sie und ihr Mann die Flüchtlingsbilder der Gegenwart gesehen haben, war für sie klar, jetzt wollen sie auch helfen. „Und dann habe ich im Fernsehen einen Bericht über die WiM gesehen. Das fand ich toll und habe mich gleich gemeldet.“ Seitdem ist Mai Lien dort aktiv. „Ich würde gerne noch viel mehr tun“, sagt sie. Aber im Moment braucht ihr Sohn Joel, er ist vor ein paar Tagen ein Jahr alt geworden, ihre ganze Aufmerksamkeit.

„Ich liebe Deutschland für seine hilfsbereite Seite“, sagt sie. „Wir sind sehr dankbar.“ Nicht nur für die Rettung durch die Cap Anamur, sondern auch für das, was ihre Familien danach in Deutschland erlebt haben. „Wir hatten deutsche Omas und Opas“, erzählt Thien Dang. Er ist in Bielefeld aufgewachsen, seine Frau in Düsseldorf. In beiden Städten hat sich die Caritas sehr aktiv um vietnamesische Flüchtlinge gekümmert.

Durch sie wurden ihnen sozusagen Mentoren vermittelt. „Das waren ältere Ehepaare. Und wir haben wirklich zu ihnen Oma und Opa gesagt. Wir hatten hier ja keine Großeltern“, berichtet Thien Dang. „Ich kann mich besonders gut an den Kartoffelsalat von Oma erinnern“, erzählt Mai Lien und lacht. Kulinarische Spezialitäten stellen immer eine gute Basis für Kontaktaufnahmen dar. Heute laden die zwei gerne ihre Nachbarn oder deutsche Freunde zum vietnamesischen Essen ein.

„Ich habe noch nie Diskriminierung hier erlebt. Wirklich nicht“, sagt die 30-Jährige. Sie ist, anders als ihr Mann, in Deutschland geboren worden, fünf Jahre nach der Flucht. Beiden ist wichtig, dass sie auch ­vietnamesische Traditionen bewahren und natürlich auch an den kleinen Joel weitergeben. So wächst ihr Sohn auch zweisprachig auf. „Ich rede mit ihm Vietnamesisch, mein Mann Deutsch.“