Mülheim. Zum zehnten Mal ist die „Theaterlandschaft Iran” im Mülheimer Theater an der Ruhr zu Gast. Die Inszenierungen bieten kritische Stücke ebenso wie poetische Stoffe. Theaterchef Roberto Ciulli ist überrascht, welche kritischen Beiträge in dem stark reglementierten Land gezeigt werden dürfen.
Meinungsfreiheit gibt es in der Islamischen Republik nicht, wohl aber die Todesstrafe. Männer und Frauen dürfen sich auf der Bühne nicht berühren, Tanz ist verboten, jedes Körperteil muss wohl bedeckt sein und wichtige Botschaften werden verschlüsselt ans Publikum gebracht.
Reglementierungen jeglicher Art sind Alltag in Iran. „Um so überraschender war es, welche kritischen Beiträge gezeigt werden durften”, sagt Roberto Ciulli. Mit Verwaltungsleiter Rolf Hemke besuchte Ciulli Anfang des Jahres das Fadjr-Festival, ein internationales Theatertreffen, in Teheran.
Sechs Produktionen an der Ruhr
Sechs eindrucksvolle Produktionen aus Iran haben sie ausgesucht, die von Dienstag, 13. Oktober, bis Samstag, 17. Oktober, im Theater an der Ruhr zu sehen sind. Am Sonntag, 18. Oktober, 12 Uhr, endet die Reihe mit einer Matinee über Moderne und Tradition. Ein kleines Jubiläum gibt's auch zu feiern: Es sind die zehnten Theaterlandschaften Iran am Raffelberg. Das Theater war damals das erste und ist – bis auf ein paar Ausnahmen – immer noch das einzige, dass uns ein Bild vom Alltag der Iraner in der Mitte der Gesellschaft nahe bringt. „Das Bild, das wir haben, ist nicht das wirkliche”, sagt Ciulli. In Iran gebe es zwei Welten, „eine offizielle und eine, die privat ist”. Trotz politischer Spannungen gibt es keine Probleme bei der Ausreise. 60 iranische Künstler werden am Raffelberg erwartet.
In Iran sind Schauspieler und Theatermacher offenbar Meister der kreativen Unterwanderung von Verboten. „Theater in Iran versucht mit den Mitteln, die möglich sind, eine nicht subventionierte Opposition zu machen”, sagt Ciulli. Gesendet werden Signale, „die einen sind direkt, andere verklausuliert”. Nur so lässt es sich erklären, dass der Gaza-Konflikt gerade eine Woche her war, als Ciulli und Hemke ein Stück sahen, das den Militarismus kritisierte. „Eine Aufführung, die auf offene Weise, die Sinnlosigkeit von Gewalt zeigt”, so Ciulli. „Die den Zynismus des Krieges entlarvt”, fügt Hemke an. „Hochzeit im Schatten”, heißt das Stück, das Freitag, 16. Oktober, 19.30 Uhr, zu sehen ist. Eine andere Inszenierung räumt mit der „Verlogenheit der Trauer”, die Kult in Iran ist, auf: „Obwohl sie lebt, ist sie verloren” spielt teils im Jenseits (13.10, 20 Uhr). Ein Thema, das sich in „Dürre und Lüge” fortsetzt. In den Szenen einer Ehe wird die Lüge als gesellschaftliches Ordnungsprinzip vorgeführt (14.10., 19.30 Uhr).
Verlogenheit und Chaos
Um die Verlogenheit der anderen Art geht es im „Traum vom reinen Schnee”, eine „sehr intensive, kleine Aufführung”. Chaos beherrscht den Straßenverkehr. Gezeigt wird ein Taxifahrer, der ein Kind totgefahren hat, und darüber nicht hinwegkommt. Als Kontrast dazu gibt es zwei Stücke in einer sehr poetischen Sprache: „Der Kreislauf der Erde” (16.10., 21.30 Uhr, 17.10., 20.45 Uhr) sowie die „Unglaublich aber wahr” (14.10., 22 Uhr, 17.10., 19.30 Uhr). Eine Performance von „politischer Brisanz”, sagt Hemke, „weil Bühnentanz in Iran nach wie vor verboten ist”. Wir dürfen gespannt sein, wie sich die Körperdarsteller präsentieren.
Im Rahmenprogramm ist der Fassbinder-Abend (15.10., 19.30 Uhr). Denn als ein politischer Kopf lässt es sich Ciulli nicht nehmen, die 60 Iraner mit einer bitteren Wahrheit zu konfrontieren: „Denn Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad leugnet bis heute, dass der Holocaust stattgefunden hat”, so Ciulli. Natürlich bleibt es den Gästen überlassen, ob sie sich die Fassbinder-Inszenierung anschauen.