Mülheim/Essen. Die Intendanten des Mülheimer "Theater an der Ruhr" Roberto Ciulli und Intendanten des Schauspiels Essen Anselm Weber haben für das Kulturhauptstadtjahr 2010 das renommierte internationale Festival "Theater der Welt" eingeladen

Zahlreiche Festivals gibt es im Ruhrgebiet, von der Ruhr Triennale bis zu den Bottroper Figurentheater-Tagen. 2010 werden sie alle ihren Raum haben, aber es kommt auch noch eins hinzu: das „Theater der Welt”, das alle drei Jahre von einer anderen Stadt ausgerichtet wird und als das bedeutendste internationale Festival der darstellenden Künste in Deutschland gilt. Im Juli wird es in Mülheim und Essen zu Gast sein – ein anspruchsvoller Zugewinn für die Kulturhauptstadt.

Die vielleicht naive Idee, die Welt zu verändern

Roberto Ciulli gab den Anstoß, der beharrlich denkende und schaffende Intendant des Mülheimer „Theater an der Ruhr”. Seit 30 Jahren macht er internationales Theater, im Oktober sind wie in jedem Jahr Künstler aus dem Iran zu Gast. Für ihn sei Theaterarbeit immer politisch, sagt er: nämlich verbunden mit der „vielleicht naiven Vorstellung, die Welt zu verändern”.

Er befand, dass der Kulturhauptstadt dieser Aspekt fehlte. Und weil Mülheim zu klein ist, das „Theater der Welt” allein einzuladen – die Finanzierung verlangt je ein Drittel von Bund, Land und austragender Stadt – gewann er Anselm Weber für die Idee, den erfolgreichen Intendanten des Schauspiels Essen. Weber, der in einem Jahr ans renommierte Bochumer Schauspielhaus wechselt, sieht die Kooperation auch als Generationenprojekt. Der 46-Jährige will fortführen, was Ciulli, heute 75, begonnen hat; auch er engagiert sich ausdrücklich für ein gesellschaftlich relevantes Theater.

Dazu gehört für beide die Auseinandersetzung mit dem Fremden. „Man holt das Fremde her und versucht, von ihm zu lernen. Manchmal ist das Fremde unbequem, manchmal ist es unverständlich, aber immer erweitert es den Blick”, sagt Weber. Wie Ciulli ist er überzeugt, dass die Sprache des Theaters universell ist und neue Möglichkeiten des Verstehens eröffnet.

Die beiden Intendanten sind die künstlerischen Leiter des Festivals, als Kuratorin haben sie die Belgierin Frie Leysen gewonnen. Ihre Zusage sei ein Glücksfall und eine unglaubliche Chance, erklärt Ciulli: „Sie hat die Kompetenz, die Professionalität und die Kontakte, sie hat große Festivals gegründet und geleitet, und sie hat denselben Blick aufs Theater wie wir.”

Weber formuliert es so: „Wenn wir Theater machen, stellen wir zwei Fragen: Wie sieht die Welt aus, in der wir leben? Und: Wie soll die Welt aussehen, in der wir leben wollen? Diese Fragen stellt auch Frau Leysen. Das war für uns die Grundbedingung – wir wollten das Festival mit jemandem machen, der Theater nicht als Hochglanzprospekt denkt, sondern als politisch-soziale Verantwortung.”

Frie Leysen gestaltet das Programm autonom. Sie hat in den vergangenen Monaten Kontakte zu Künstlern in Pretoria, Moskau, Tokio, Samoa und Litauen geknüpft. Einige sind schon an der Ruhr, entdecken Spielstätten und entwickeln Projekte aus den Bereichen Tanz, Theater, Musik, Film, Performance und Installation. Zu ihnen gehört der italienische Theaterstar Romeo Castellucci. Ein Projekt der belgischen Filmemacher „Berlin” ist schon fest gebucht: Die Gruppe, bekannt für ihre verfremdeten Stadtporträts, geht dem Strukturwandel mit künstlerischen Mitteln nach. In ihrer Installation gehe es darum, „dass etwas verschwunden ist und man weiß noch nicht, was darauf folgt”, erzählt Roger Christmann, Managing Director von Theater der Welt 2010.

Spielstätten werden die teilnehmenden Theater sein, außerdem PACT-Zollverein in Essen und in Mülheim die Stadthalle, der Raffelbergpark und der Ringlokschuppen.

Ciulli und Weber sind außerordentlich zufrieden mit dem Weg, den ihr Projekt nimmt, auch mit der Dramaturgie der Ereignisse: Im Februar beginnt das Theaterprogramm 2010 mit der „Odyssee”, dem gemeinsamen Projekt der Theater der Region. „Und Mitte des Jahres zeigen wir uns als Gastgeber – eine ideale Form, uns der Welt zu präsentieren”, meint Weber.

Und erweist er sich als respektvoller Junior: „Ohne Roberto Ciulli wäre dieses Festival nicht in der Region”, sagt er. „Nicht ohne seine Kontakte, nicht ohne seine Tradition.”

„Theater der Welt” findet statt vom 30. 6. bis 17. 7. 2010.