Mülheim. Die Mitgliederzahlen in den Kirchen sind seit Jahren rückläufig. Das bedeutet aber nicht automatisch,dass die Kirchen weniger Kirchensteuern einnehmen: Eine finanzielle Spurensuche.
Immer weniger Kirchenmitglieder, immer weniger Kirchensteuereinnahmen? Die Antwort scheint logisch ganz klar „Ja“ zu sein. Doch so einfach ist es nicht auf eine Formel zu bringen. Denn: Mit der Zahl der Kirchenmitglieder sinken nicht automatisch auch die Kirchensteuereinnahmen. Die seien nämlich immer auch von der konjunkturellen Entwicklung und den steuerrechtlichen Rahmenbedingungen abhängig. Darauf weisen sowohl die evangelische als auch katholische Kirche hin. Zudem sei auch nicht jedes Kirchenmitglied zugleich ein Kirchensteuerzahler.
Und während man beim Bistum im statistischen Durchschnitt mit 211 Euro Kirchensteuereinnahmen pro Kirchenmitglied rechnet und für das laufende Jahr einen Kirchensteuerrückgang von neun Prozent prognostiziert, verbucht man beim evangelischen Kirchenkreis an der Ruhr dagegen ein Plus – nämlich 2013 (aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor) mit 15,55 Millionen Euro ein Kirchensteueraufkommen, das gut eine Million Euro über dem von 2003 lag.
Steigende Personalkosten belasten
Doch auch wenn die finanzielle Situation der evangelischen Kirche auf den ersten Blick gut aussieht, warnt Superintendent Helmut Hitzbleck vor voreiligen Schlüssen, weil die Lohnkosten, die im Schnitt mehr als 70 Prozent der kirchlichen Haushalte ausmachten, die zwischenzeitlichen Steuergewinne übersteigen und am Ende „unter dem Strich zu einem Minus führen.“ Deshalb sieht er auch für die Zukunft eine Entwicklung die dazu führt, „dass wir als Kirche mit weniger Menschen an weniger Orten, weiterhin die Arbeit leisten, die uns wichtig ist.“
Dazu gehört „neben der Verkündigung des Evangeliums vor allem für die Menschen da zu sein und sie dort, wo sie sozial abgehängt werden, wieder an die Gesellschaft anzukoppeln.“ Nicht ohne Stolz weist Hitzbleck darauf hin, dass man in den vergangenen Jahren trotz Personalabbau niemanden entlassen und sich auch aus keinem Bereich zurückgezogen habe.
Gemeindezentren und Gemeindesäle aufgeben
Auch für den katholischen Stadtdechanten Michael Janßen steht fest: „Kirche muss weiter im Stadtbild präsent sein und ihre pastorale und soziale Arbeit vor Ort leisten.“ Doch angesichts der Prognose, dass die katholischen Pfarrgemeinden bis 2030 auf 50 Prozent ihrer aktuellen Kirchensteuermittel in Höhe von je 350.000 Euro verzichten müssen, denkt Janßen über kreative Lösungen nach. So kann er sich zum Beispiel vorstellen, aus den drei Pfarrverwaltungen eine zentrale Kirchenverwaltung zu machen und dort, wo das möglich ist, auch Gemeindezentren und Gemeindesäle aufzugeben und stattdessen Kirchen zu erhalten und sie in multifunktionale Gemeinderäume umzugestalten. Denkbar ist für ihn auch, die katholische Heilig-Geist-Kirche in Holthausen künftig ökumenisch zu nutzen. Im Frühjahr beginnen Gespräche zwischen Stadtkirche und Bistumsleitung. Sie sollen bis Ende 2017 zu konkreten Vorschlägen führen.
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Doch nicht erst seit gestern passen die Stadtkirchen ihre Strukturen den veränderten demografischen und finanziellen Rahmenbedingungen an. Auf katholischer Seite wurden 2006 aus 15 eigenständigen Pfarrgemeinden drei Großpfarreien mit Gemeinden und Filialkirchen. Auf evangelischer Seite fusionierten die Gemeinden Holthausen, Altstadt und Menden-Raadt zur Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde. Die Gemeinden Broich und Saarn schlossen sich zusammen. Und Styrum, Johannis und die Dümptener Markuskirchengemeinde bildeten die neue Lukaskirchengemeinde. Gleichzeitig wurden im Laufe der letzten Dekade die 12 Gemeindezentren und Kirchen aufgegeben, damit die zuständigen Gemeinden Bauunterhaltungskosten sparen konnten. In einigen Fällen, wie etwa am Schöltges Hof in Dümpten, an der Walkmühlenstraße oder zuletzt im Fall der Friedenskirche am Humboldthain wurden Gemeindeimmobilien verkauft und zum Beispiel für neuen Wohnraum an der Walkmühlenstraße oder eine privat betriebene Urnenbegräbnisstätte am Humboldthain umgewidmet.
Christuskirche wird entwidmet
Im Mai diesen Jahres steht die Entwidmung der Christuskirche und ihres Gemeindezentrums am Lindenhof in Saarn an. Die katholische Kirche machte im Rahmen ihrer Gemeindeumstrukturierung 2006 aus der damaligen Pfarrkirche Heilig Kreuz eine Urnenkirche, in der aber weiterhin Gottesdienste gefeiert werden. Gleichzeitig wurde die Pfarrkirche St. Raphael an der Hingbergstraße profaniert und fortan als Caritas-Zentrum genutzt.
Erheblich schmerzhafter waren die Schließung des katholischen Jugendamtes und die Streichung der Stelle für Öffentlichkeitsarbeit. Die katholischen Gemeindekindergärten wurden damals in einen Zweckverband des Bistums überführt, während die evangelischen Kitas weiter von den Gemeinden finanziert werden müssen. Wie berichtet sucht die Lukaskirchengemeinde für ihr Haus der kleinen Leute am Klöttschen jetzt einen neuen Träger, um sich finanziell zu entlasten.