Mülheim. . Mülheim denkt über den Ausstieg aus dem Straßenbahnverkehr nach. Der Einsatz von Bussen sei günstiger. Die Gewerkschaft Verdi sieht das anders.
Straßen- und U-Bahn stehen als Kostentreiber des öffentlichen Personennahverkehrs in der Kritik. Oberhausen lässt die Bürger über den Bau einer neuen Linie abstimmen, Mülheim will sie vielleicht ganz abschaffen. Aber Düsseldorf und Köln setzen neue Züge aufs Gleis, Essen nahm einen neuen Gleisabschnitt in Betrieb. Das Beispiel Mülheim zeigt, wie kontrovers die Diskussion geführt wird.
Naht der Tag, an dem die Straßenbahn in Mülheim auf dem Abstellgleis landet? Allein die politischen Gedankenspiele und Beschlüsse zu Kürzungen bei der Mülheimer Verkehrsgesellschaft (MVG) rufen postwendend Widerstand hervor. Die Gewerkschaft Verdi startete am Montag eine weitere Protestaktion in der Innenstadt, in den vergangenen Monaten hat sie vorsorglich schon mal über 10 000 Unterschriften zum Erhalt der Straßenbahn gesammelt. Die Botschaft: Die Straßenbahn muss bleiben!
Kritik an der Politik
Die MVG plagen die gleichen Sorgen, wie es sie in vielen Städten gibt: Die Fahrzeuge sind überaltert, für manche Technik gibt es nicht einmal mehr Ersatzteile, die Strecken geraten zum Teil aus den Fugen, der Investitionsstau geht in die dreistelligen Millionen. Damit der Bahnverkehr überhaupt noch in den nächsten Jahren funktioniert, hat die Stadt Mülheim 15 neue Straßenbahnen bestellt, über 20 hielt man bei der Verkehrsgesellschaft angesichts des überalterten Fuhrparks für erforderlich.
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„Die Mülheimer Politik hat den Öffentlichen Nahverkehr vor die Wand gefahren, indem über Jahre gerade mal nur das Notwendigste finanziert wurde“, schimpfen Gewerkschaftssekretär Rainer Sauer und der Betriebsratsvorsitzende Ahmet Avsar. Besserung ist nicht in Sicht: In der vergangenen Woche hat der Rat beschlossen, die Investitionen auf das Nötigste zu beschränken. Ein wenig frequentiertes Straßenbahn-Teilstück hat Mülheim bereits 2012 stillgelegt.
Es geht immer ums Geld, das fehlt. Das jährliche Defizit bei der MVG steigt von Jahr zu Jahr, im nächsten werden 34 Millionen erwartet. Hendrik Dönnebrink, Chef der städtischen Beteiligungsholding, unter deren Dach die MVG steht, hat der Politik folgende Rechnung aufgemacht: „Wir investieren allein in den nächsten Jahren 150 Millionen Euro in das System, um damit in den kommenden 30 Jahren 600 Millionen Euro Verlust einzufahren.“ Als Kostentreiber haben er und der Kämmerer die Straßenbahn, die U-Bahn und ihre Infrastruktur ausgemacht.
Die SPD will Zahlen sehen
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„Wenn ich sehe, dass der gefahrene Kilometer Bus zwei Euro, der mit der Straßenbahn sieben Euro kostet, muss es erlaubt sein, das System zu hinterfragen“, so CDU-Fraktionschef und MVG-Aufsichtsratsvorsitzender Wolfgang Michels. Er ist überzeugt: Der Bürger will zuverlässig, pünktlich und sauber von A nach B, wie, das sei ihm egal. Und er verweist auf vergleichbare Städte, wo man mit Bussen auskommt und ein geringeres Defizit einfährt.
Doch ein Umstieg von Schiene auf Straße ist mitten im Ruhrgebiet alles andere als leicht, auch weil es direkte Verbindungen mit den Nachbarstädten Essen und Duisburg gibt, vertraglich geregelt. Drohen Strafen, wenn die Mülheimer hier nur noch Busse einsetzten, drohen Rückzahlungen von Fördergeldern ans Land, mit denen in der Vergangenheit das Bahnnetz unterstützt wurde? Nichts Genaues weiß man. Erneut wurde daher ein Gutachter beauftragt, der bis Herbst aufzeigen soll, was überhaupt rechtlich möglich wäre und wirtschaftlich sinnvoll.
Von einem Ausstieg aus der Straßenbahn will die SPD daher zurzeit nichts wissen und zweifelt überhaupt an der Möglichkeit – auch nach ihrem jüngsten Ratsbeschluss mit der CDU, bei dem es um Einsparungen bei der MVG bis zum Jahr 2021 in zweistelliger Millionenhöhe geht. „Wer hier seriös vorgehen will, legt die weitere Vorgehensweise nur auf der Grundlage belastbarer Zahlen, Daten und Fakten fest“, betont Fraktionschef Dieter Wiechering.
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„Wenn die Infrastruktur nur notdürftig repariert wird, wird es am Ende besonders teuer. Gerade dadurch ist in den letzten Jahren die Misere der MVG entstanden“, klagt Johannes Gith vom Pro Bahn-Regionalvorstand Ruhr. Er warnt, die Kosten für einen Umstieg auf Busse zu unterschätzen.
Für den Mülheimer SPD-Bundestagsabgeordneten Arno Klare führt kein Weg daran vorbei, den Nahverkehr attraktiver zu machen. Seine Rechnung: Ein gutes Angebot bringt Kunden - und Geld.