Düsseldorf. . Belegschaft und Unternehmen schlagen Alarm: Den Nahverkehrsbetrieben fehlen Milliarden. Besonders dramatisch ist die Lage in Nordrhein-Westfalen.

Deutschlands Nahverkehrsbetriebe schlagen Alarm. In einer bislang einmaligen Resolution haben Freitag Betriebs- und Personalräte von 138 kommunalen Nachverkehrsanbietern aus ganz Deutschland vom Bund höhere Investitionen in die Infrastruktur des ÖPNV eingefordert.

Andernfalls sei die Einsatzfähigkeit von Bussen und Bahnen und damit die Mobilität von Millionen Bürgern in Gefahr, teilten die Belegschaftsvertreter gestern am Rande einer bundesweiten Betriebsräte-Konferenz der Gewerkschaft Verdi in Düsseldorf mit. „Wenn wir noch länger warten, werden wir erleben, wie Strecken stillgelegt werden“, sagte ein Teilnehmer aus der Rhein-Ruhr-Region. Auch Vertreter der Verkehrsunternehmen nahmen an der Veranstaltung teil.

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Lage in NRW besonders dramatisch

Dass es im öffentlichen Nahverkehr einen hohen Investitionsstau gibt, ist hinlänglich bekannt. Die Dortmunder Stadtwerke müssen in den kommenden Jahren rund 100 Millionen Euro in die Erneuerung ihres Fahrzeugparks stecken. Bei der Düsseldorfer Rheinbahn sind es knapp 150 Millionen Euro. Doch der Investitionsbedarf bei Bussen, Bahnen, Gleis- und Signalanlagen ist ein bundesweites Phänomen. Ein Großteil der Technik ist in die Jahre gekommen. Rücklagen für regelmäßige Neuanschaffungen wurden nicht in ausreichendem Maße gebildet – auch weil die Städte und Gemeinden nicht im Geld schwimmen.

Allein beim schienengebundenen Nahverkehr in deutschen Kommunen – also Straßen-, Stadt- und U-Bahnen – ist ein Erneuerungsbedarf von mehr als 2,5 Milliarden Euro aufgelaufen, listet Verdi auf. Jährlich seien 600 Millionen Euro nötig, um Stadt- und Straßenbahnen am Laufen zu halten. Als besonders marode gelten die Anlagen in NRW. „In Nordrhein-Westfalen ist die Lage dramatisch“, sagte Volker Wente, NRW-Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen.

Fahrzeuge teilweise im Schnitt 30 jahre alt

Bei einigen NRW-Betrieben betrage das Durchschnittsalter des Fahrzeugparks 30 Jahre. Wente: „Als wirtschaftlich sinnvoll gilt ein Durchschnittsalter von 15 Jahren.“ Manche Technik sei so alt, dass man nicht einmal mehr Ersatzteile finden könne. Als krasses Beispiel aus der Region wurde Duisburg genannt. Die Linie U 79 verbindet die Stadt mit Düsseldorf. Die Zugsicherung auf der Strecke muss nun erneuert werden. Duisburg hat dafür kein Geld, die Düsseldorfer Rheinbahn schon. In einigen Jahren schon werde die Linie an der Stadtgrenze enden, fürchtet Rheinbahn-Manager Klaus Klar.

Dass der Appell der Belegschaftsvertreter gerade jetzt kommt, liegt an bevorstehenden Verhandlungen über Bundeszuschüsse für den ÖPNV. Ende des Jahres läuft die Frist aus, bis zu der die Mittel des sogenannten Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) über 2019 hinaus festgeschrieben werden müssen.

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"Wir brauchen jetzt Klarheit"

Die Gewerkschaft befürchtet, dass der Bund die Entscheidung in die aktuellen Gespräche über den Länder-Finanzausgleich verschieben möchte. „Wir brauchen aber jetzt Klarheit“, sagte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Christine Behle. Sonst stehe die Qualität des ÖPNV auf der Kippe.

Laut Verdi sind die öffentlichen Zuschüsse in den ÖPNV in den letzten zehn Jahren um 6,4 Prozent zurückgegangen, obwohl die Fahrgastzahlen im selben Zeitraum um über sieben Prozent gestiegen seien. Gleichzeitig seien beim Nahverkehr bundesweit rund 30 Prozent Personal eingespart worden.