Mülheim. Eine 94-jährige Frau wurde zur Routineuntersuchung in eine Mülheimer Praxis gefahren. Weil sich der Termin dort verzögerte, reagierte der Sanitäter aufbrausend und wollte die Frau abschnallen. Da die Patientin aber nicht allein habe sitzen können, habe er gedroht, die Frau auf den Boden zu legen.
Unfassbar ist es für Jochen Hartmann, was einer 94-jährigen in einer kardiologischen Gemeinschaftspraxis an der Leineweberstraße widerfahren ist, geradezu menschenverachtend. Was den Vorsitzenden der AfD, der den Vorfall gestern im Ausschuss für Bürgerangelegenheiten ansprach, so schockiert, ist die Art und Weise, wie ein Sanitäter des Krankentransports mit der alten Dame umgegangen sein soll. Was sich in der Praxis zugetragen hat, weiß Hartmann nur aus zweiter Hand durch den Kardiologen. Feuerwehrchef Burkhard Klein, der verantwortlich für den Krankentransport, der aber von den Hilfsorganisationen DRK und Johanniter abgewickelt wird, erzählt den Vorfall anders.
Die 94-Jährige, die im städtischen Altenheim an der Gracht lebt, ist bettlägerig, kann sich selbst nicht mehr mitteilen und auch nicht aus eigener Kraft auf einem Stuhl sitzen. Deshalb muss sie auf einem Rollstuhl, mit dem sie in die Praxis geschoben wird, auch festgeschnallt werden. Da sie einen Herzschrittmacher hat, muss sie zwei Mal im Jahr in die Praxis, wo die Funktionstüchtigkeit des Schrittmachers geprüft wird.
Eine Sache von wenigen Minuten
Das ist eine Angelegenheit von wenigen Minuten. Am vergangenen Dienstag, als die Patientin wieder einen Praxistermin hatte, sei es zu einer zu einer kürzeren Verzögerung in der Praxis gekommen. Der Sanitäter habe, so Hartmann, gleich aufbrausend reagiert und die Patientin im Wartezimmer auf einen Stuhl setzen und den Transportstuhl wieder mitnehmen wollen. Auf den Hinweis, dass die 94-Jährige nicht sitzen könne, habe der Sanitäter angedroht, die Frau auf den Boden zu legen. Melchior beklagt zudem, dass der Mann vor Patienten ein riesiges Theater gemacht habe. Hartmann hat aber keinen Zweifel daran, dass es sich so zugetragen hat, wie es ihm Dr. Klaus Melchior, der den Vorfall auch der NRZ schilderte, erzählt. Warum sonst sollte er sich an die Öffentlichkeit wenden? Hartmann fragte, ob denn geeignetes Personal in diesem sensiblen Bereich eingesetzt werde?
Klein sagte gestern nach Rücksprache mit den Einsatzkräften, die sich selbst bei der Einsatzleitung gemeldet hatten, dagegen, dass von der Sprechstundenhilfe eine Wartezeit von 20 Minuten genannt worden sei. „So lange können die Einsatzkräfte bei einem hohen Einsatzaufkommen nicht warten. Wir können auch aus Rücksicht auf andere Patienten nicht so lange warten“, sagt Klein. Auch die hätten ein Recht auf einen raschen Transport. Wenn der Druck nicht so groß sei, würden die Sanitäter aber auch 20 Minuten warten. Nicht der Sanitäter, der Arzt habe aufbrausend reagiert. Ein schriftlicher Bericht liege noch nicht vor.
In jedem Fall aber war das Ende für die 94-Jährige unerfreulich. Unverrichteter Dinge musste sie die Praxis verlassen und wird demnächst zur Kontrolle zurückkehren. In jedem Fall ist das eine Strapaze. So möchte man selbst im Alter nicht behandelt werden.