Mülheim an der Ruhr. Es war eine Sensation, die da am Dienstag bekannt wurde: Hinter Steinen des alten Mülheimer Gemäuers Schloß Broich verbarg sich jahrelang eine geheimnisvolle Schatulle. Bei Bauarbeiten wurde das Kästchen nun entdeckt. Da es beschädigt wurde, erlaubte es bereits einen ersten Blick in sein Inneres.

Es war eine Nachricht, die elektrisierte: In der maroden Mauer von Schloß Broich haben Bauarbeiter einen Schatz gefunden! Die Fantasie schlug Purzelbäume: Was bedeutet das fürs leere Stadtsäckel? Wird jetzt womöglich alles gut in unserer klammen Kommune? Das wohl nicht, machte alsbald ein Gespräch mit Ursula van Straalen, Mitarbeiterin der Unteren Denkmalbehörde, klar. „Wir haben nämlich keinen Goldschatz gefunden“; doch eine faustdicke Überraschung sei der Zufallsfund allemal.

Eine staubige Schatulle aus Kupfer, kaum größer als eine Aktentasche und höchstens drei Kilogramm schwer, präsentierten Bauleiter Leo Karpen und Heike Bläser-Metzger vom Stadtmarketing am Dienstagmittag. Entdeckt worden war das geheim­nisvolle Kästchen nur Stunden zuvor bei Fugenarbeiten an Steinen der östlichen Ringmauer, jenes Schlossteils also, der der Stadthalle gegenüber liegt.

Alter Mörtel hatte sich gelöst

Purer Zufall war es, so Bläser-Metzger, dass man den Schatz fand. Alter Mörtel hatte sich gelöst, und mit einem Mal bemerkten die Mitarbeiter der Firma Torkret, die auf Restaurierung historischer Bauten spezialisiert sind: „Da ist ja noch etwas. . .“ Mit leichten Beschädigungen, die wahrscheinlich von Bohrarbeiten stammen, konnte der Kupferkasten geborgen werden; eine Querseite ist zerstört.

„Der Inhalt aber ist gut erhalten, lediglich etwas schimmelig“, glaubt Bläser-Metzger. Genau wissen kann das allerdings noch keiner; denn ausgeräumt wird die Schatulle erst in den kommenden Tagen, und zwar von Experten des in Xanten ansässigen Amtes für Bodendenkmalpflege, das zum Landschaftsverband Rheinland gehört.

Der Blick in die enge Box aber zeigte schon jetzt Zeitungen, Akten und ein Büchlein. Ein Anhänger sowie eine Münze, die bereits herausgepurzelt sind, verraten, aus welcher Zeit der Kasten stammen könnte: Der Anhänger erinnert an das Anfang des vergangenen Jahrhunderts in Mülheim stationierte Infanterie-Regiment 159; die Münze ist aus dem Deutschen Reich.

„Möglicherweise fand damals ein Festakt zur Erinnerung an die Gefallenen statt“

Das passt zur Tatsache, dass an besagter Stelle der bröckelnden Mauer bis zur Notsicherung 2011 eine Gedenktafel für Opfer des Ersten Weltkrieges angebracht war. „Möglicherweise fand damals ein Festakt zur Erinnerung an die Gefallenen statt“, erklärt Ursula van Straalen, „und man ließ die Kiste in die Mauer ein.“

Xantener lösen das Rätsel

Die seit 1957 in Xanten ansässige Außenstelle Niederrhein des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege betreut ein Gebiet von rund 4000 km², zu dem u.a. Mülheim gehört.

Leiterin Dr. Julia Obladen-Kauder verspricht, den Schatz mit viel Sorgfalt zu bearbeiten – „damit wir nachher auch wirklich Antworten bekommen“.

Der Fund übrigens, so die Fachfrau, gehört laut Gesetz dem Land. Doch die Wahrscheinlichkeit sei groß, dass er nach ausgiebiger Expertise nach Mülheim zurückkomme, ins Museum oder ins Archiv. Für die Stadtgeschichte sei er sehr wertvoll; „die Menschen der damaligen Zeit wollten uns ja etwas damit sagen“. Dass das Kästchen ausgerechnet 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges, und damit im Jahr der vielen Erinnerungen, gefunden wurde, ist ein hübsches Detail der Geschichte.