Herne. Flüchtlinge haben in Herne vor dem Ausländeramt demonstriert. Sie kritisieren die schleppende Arbeit der Behörde. Was die Stadt dazu sagt.
Flüchtlinge sind sauer: Vor dem WEZ in Wanne-Mitte haben mehr als 100 Menschen gegen die schleppende Arbeit der Ausländerbehörde in dem Gebäude protestiert. Kritik wurde auch gegen das Bürgeramt laut. Tenor: Monatelang müssten Flüchtlinge auf einen Termin, ja überhaupt auf eine Reaktion der Behörden warten. Die Konsequenzen seien zum Teil dramatisch. Immer wieder komme es vor, dass die Menschen ihre Jobs verlören, weil Aufenthaltsgenehmigungen fehlten. Nicht zuletzt sei so auch eine Integration nicht möglich. „Wir sind Menschen“, sagte Alomar Walat. Sein Appell an die Stadt: Behandelt uns auch so!
Walat, 38, hat die Demo mitorganisiert. Der Syrer, seit sieben Jahren in Herne, möchte mit seiner Frau und den fünf Kindern eingebürgert werden. Alle Voraussetzungen hätten sie erfüllt. Sie hätten die Sprache gelernt, achteten die Gesetze, bereiteten der Gesellschaft keine Probleme, und er habe sich einen Job gesucht, er arbeite beim Verkehrsunternehmen National Express als Fahrkarten-Kontrolleur. Nun wollten sie, bitteschön, eingebürgert werden. Keine Chance: In den kommenden Monaten gebe es in der Ausländerbehörde keine Termine. Nicht mal per Telefon erreichbar sei sie. Weil viele Syrer, aber unter anderem auch Iraker oder Marokkaner ähnliche Probleme hätten, habe er über Facebook andere Betroffene zur Demo aufgerufen: „Jetzt reicht’s“, sagt er der WAZ. Die Resonanz war groß: Vor dem Haupteingang des WEZ machten am Montagnachmittag, 14. August, die Demonstrantinnen und Demonstranten ihrem Ärger Luft.
Stadt Herne: Ausländerbehörde arbeitet am Limit
So etwa Abdulkar Mohamad. Der 43-jährige Syrer, seit acht Jahren im Land, zeigt seine Aufenthaltserlaubnis, die am Tag zuvor abgelaufen ist. Weil er keinen rechtzeitigen Termin für eine Verlängerung bekommen habe, dürfe der Wanne-Eickeler nicht mehr zu seiner Arbeit, einem Logistikunternehmen, und dort im Lager arbeiten. Nun fürchtet er, dass sein Chef ihm die Stelle nicht wochenlang frei hält, bis er die nötigen Papiere erhält, sondern ihn rauswirft.
Neue Fotostrecke
Ahmed Kossa, 36, sagt, dass er einen Termin in der Ausländerbehörde bekommen hat – für September 2024. Unfassbar findet er, dass man so lange warten müsse. Andere wählten sich die Finger wund, schrieben E-Mails, Antwort bekomme man per Telefon oft gar nicht, per Mail nach Wochen. Respekt, dass die Stadt Herne so eine tolle Kirmes organisiert habe, sagt er süffisant, besser wäre es, wenn sie auch die Ausländerbehörde so gut organisieren würde.
+++ Nachrichten aus Herne – Lesen Sie auch: +++
- Blitzer in Herne: Hier wird die Geschwindigkeit kontrolliert
- Schiefe Töne von Michelle: „An der Technik lag’s nicht“
- Cranger Kirmes: So viel kosten Bratwurst, Crêpes und Co.
Die Ausländerbehörde, sagt der städtische Rechtsdezernent Frank Burbulla zur WAZ, arbeite am Limit. Krisen und Kriege sorgten für einen Ansturm aufs Amts, zuletzt unter anderem durch Flüchtlinge aus der Ukraine. Die Verwaltung sei dem aber nicht gewachsen. Auch deshalb nicht, weil es einen großen Personalmangel gebe. Konkret: In der Ausländerbehörde seien aktuell acht Stellen, in der Einbürgerungs- und Staatsangehörigkeitsbehörde eine Stelle unbesetzt. Das sind laut Stadt etwa 20 Prozent der Planstellen. Darüber hinaus befänden sich 40 Prozent der Mitarbeitenden in der Einbürgerungs- und Staatsangehörigkeitsbehörde in der Einarbeitungsphase, könnten also noch nicht in allen Fällen abschließende Entscheidungen treffen. „Wir suchen quasi dauerhaft Personal“, so Burbulla.
Die Konsequenzen: Die Termine seien in der Tat über Monate vergeben. So seien etwa im Bereich „Einbürgerung“ Termine für die – der Antragstellung vorgeschalteten – Beratung bereits bis März 2025 ausgebucht. Termine für die finale Antragstellung seien „nur“ bis November 2023 vergeben. Das alles sei aber bereits ein Fortschritt: Noch im Frühjahr 2023 seien mangels Kapazitäten überhaupt keine Termine für Einbürgerungen vergeben worden. Jetzt, da es sie wieder gebe, seien sie schnell ausgebucht.
Die Bearbeitungsdauer nach einem Termin hinge dann vom Sachverhalt ab. Die Spanne geht laut Verwaltung von einem Tag, etwa bei einer Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis, bis hin zu mehreren Monaten, etwa für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. In seltenen Ausnahmefällen brauche die Stadt für die Bearbeitung aber auch bis zu 1,5 Jahren, beispielsweise dann, wenn Sicherheitsbedenken bestünden.
Etwa 3000-mal, bestätigt der Dezernent, klingele in der Ausländerbehörde täglich das Telefon. Diese Anrufe könnten ebenfalls nicht alle beantwortet werden. Besser seien Anfragen per E-Mail. Wer dringend Hilfe brauche, etwa um einen Aufenthaltstitel zu verlängern, dem könne in der Regel aber kurzfristig mit einem Schnellverfahren geholfen werden, betont er. Es gebe eine telefonische Notfall-Telefonnummer, die auf Band angesagt werde. Und per E-Mail könnten Betroffene ihren Notfall schildern. „Wir priorisieren die Fälle extrem“, so Burbulla. Und: „Wir versuchen, möglich zu machen, was möglich zu machen ist.“
>>> 9000 Syrerinnen und Syrer kamen nach Herne
Seit 2015 sind laut Stadtverwaltung mehr als 9000 Syrerinnen und Syrer, teils als Geflüchtete, teils im Rahmen des Familiennachzugs, nach Herne gekommen. „Wir sind nach wie vor positiv überrascht, wie viele sich zusätzlich um die Änderung wohnsitzbeschränkender Auflagen bemüht haben, um ihren Wohnsitz von anderen Städten nach Herne verlegen zu können“, sagt Stadtsprecher Christoph Hüsken.
Daran erkenne man, „dass sich die Menschen aus Syrien in Herne sehr wohl fühlen“. Viele von ihnen seien bereits eingebürgert worden. „Sie wurden hier sehr herzlich aufgenommen, der Umgang miteinander erfolgte bisher stets partnerschaftlich“, bilanziert er.