Herne. . Auf Bundesebene ist eine Debatte über die „Pille danach“ zur Verhinderung von Schwangerschaften entbrannt - ausgelöst durch die Forderung nach Freigabe der Rezeptpflicht. Auch in Herne gibt es höchst unterschiedliche Positionen.

Kleine Pille, große Aufregung: Bundesweit wird die Forderung laut, dass die „Pille danach“ zur Verhinderung einer Schwangerschaft freigegeben wird und künftig ohne Rezept in Apotheken erhältlich sein soll.

Das System habe sich bewährt und müsse beibehalten werden, entgegnen unter anderem CDU und Mediziner. Auch in Herne gehen die Meinungen auseinander.

Die Politik

Der Streit in der Großen Koalition in Berlin spiegelt sich auch in den Haltungen der Herner Bundesabgeordneten wider: Michelle Müntefering (SPD) ist für die Rezeptfreiheit, Ingrid Fischbach (CDU) dagegen (siehe unten: Pro & Contra).

Der Apotheker

Unter Kollegen gebe es Stimmen für und gegen die Freigabe, sagt Hernes Apothekensprecher Heribert Lauck. Er persönlich sei dagegen: „Eine ordentliche ärztliche Beratung ist notwendig. Es geht hier ja nicht um Bonbons.“ Auch an Wochenende und abends seien Ärzte über den Notdienst erreichbar. Trotz der Rezeptpflicht sei die ,Pille danach’ in seinem Apotheken-Notdienst schon Thema gewesen. Eine nächtliche Anfrage: „Wir hatten gerade Verkehr - kann ich die ,Pille danach’ haben?“

Die Frauenärztin

„Aus frauenärztlicher Sicht sollte die Pille danach meines Erachtens rezeptpflichtig bleiben“, erklärt eine Herner Frauenärztin, die anonym bleiben möchte. Es gehe nicht allein um Einnahme einer Tablette zur Verhinderung einer Schwangerschaft, sondern auch um eine Beratung. In dieser Beratung sei die weitere Empfängnisverhütung Thema; gegebenenfalls sei auch eine Untersuchung nötig. „Die Pille danach verordnen wir circa fünf- bis zehnmal pro Monat, vorwiegend in der Altersgruppe 18 bis 25 Jahre“, berichtet die Frauenärztin.

Die Beratungsstelle

Die (auch für Herne zuständige) Bochumer Beratungsstelle von Pro Familia fordert mit Nachdruck die Freigabe der „Pille danach“: „Die Hilfe muss niederschwellig und zeitnah erfolgen - je früher, desto besser“, sagt Sexualpädagoge Jörg Syllwasschy. Durch den ärztlichen Notdienst sei dies nicht immer gewährleistet. Dieses Angebot sei zudem für Jugendliche völlig ungeeignet. All das erhöhe das Risiko, dass Betroffene zu spät - die Pille ist nur 72 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr wirksam - oder gar nicht zum Arzt gehen. „Eine Beratung durch einen Apotheker reicht völlig aus“, so Syllwasschy. Allerdings müssten räumliche Voraussetzungen geschaffen werden - auch während des Notdienstes.

Pro & Contra 

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering ist für die Freigabe der „Pille danach“. Ihre Begründung: „Die ,Pille danach’ ist eine wichtige Notfallverhütung und kein Abtreibungsmedikament. Solche Notfälle entstehen meist am Wochenende oder spät abends. Deswegen sollte sie, wie in 28 anderen europäischen Ländern auch, zeitnah und ohne Rezept in der Apotheke erhältlich sein. Hier muss auch eine Beratung erfolgen. Die Erfahrungen in Europa damit sind positiv. In einigen Gemeinden gibt es übrigens nur kirchliche Krankenhäuser, in denen es durch den Dienstherren - die Kirche - meistens verboten ist, den betroffenen Mädchen und jungen Frauen die Pille danach zu verschreiben. Frauen dürfen aber nicht aus ideologischen Gründen am Zugang gehindert werden. Ich schließe mich deswegen u.a. pro Familia und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte an, das vom Bundesgesundheitsministerium endlich eine Verordnung zur Aufhebung der Rezeptpflicht verlangt. Es ist das Recht der Frauen und Mädche, über ihren Körper und ihr Leben zu entscheiden.“

Ingrid Fischbach, CDU-Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, hält dagegen: „Ich bin für die Beibehaltung der Rezeptpflicht und der ärztlichen Beratung. Es geht in dieser Diskussion um die Anliegen der Frauen, um deren Gesundheit. In einer solchen Situation ist schnelle Hilfe und kompetente Beratung sehr wichtig, beides wird durch die zurzeit bestehenden Regelungen voll gewährleistet. Das ärztliche Beratungsgespräch unterliegt zudem der Schweigepflicht und begründet damit ein besonderes Vertrauensverhältnis. Um gesundheitliche Risiken weitgehend auszuschließen, ist eine ärztliche Einzelfallbetrachtung unbedingt notwendig. Der Hormongehalt der ,Pille danach’ ist um ein Vielfaches höher als der einer ,normalen’ rezeptpflichtigen Antibabypille, und hier fordert niemand eine rezeptfreie Abgabe.“