Bottrop. . Ein Sachverständigen-Ausschuss sprach sich für eine rezeptfreie Abgabe des Präparats „Levornogestrel“ aus. Experten zeigen das Für und Wider einer Freigabe des Verhütungsmittels auf. Der Chefarzt der Gynäkologie am Marienhospital ist besonders skeptisch.

Die „Pille danach“ gibt es in Deutschland bislang nur auf Rezept. In fast allen anderen EU-Ländern können Frauen das Mittel „Levornogestrel“ bereits in der Apotheke kaufen. Der Expertenausschuss für Verschreibungspflicht hat sich jetzt für eine rezeptfreie Abgabe von „Levornogestrel“ ausgesprochen. Das CDU-geführte Bundesgesundheitsministerium muss nun entscheiden, ob es der Empfehlung der Sachverständigen folgt.

Mehr Verantwortung

Werner Heuking, Pressesprecher des Apothekerverbandes Nordrhein, begrüßt die Empfehlung der Sachverständigen: „Die rezeptfreie Abgabe erhöht zwar die Verantwortung auf Seiten der Apotheker, aber sie leisten dadurch einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag.“ Heuking betont, dass es nicht ausreiche, das Medikament zu verkaufen. „Eine ausführliche Beratung ist auch in der Apotheke nötig.“ Kritiker befürchten, dass die rezeptfreie Abgabe der „Pille danach“ insbesondere unter jungen Leuten zu einem verantwortungslosen Umgang mit Verhütungsmitteln führe. Diese Befürchtung teilt Heuking nicht. „Ich könnte mir vorstellen, dass mehr Selbstbestimmung auch zu einem verantwortungsvolleren Umgang führt.“

Hans-Christian Kolberg, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Marienhospital Bottrop, steht der rezeptfreien Abgabe eher skeptisch gegenüber.

„Levornorgestrel ist die Pille danach der letzten Generation. Medizinischer Standard ist das Präparat Ulipristal, das auch noch 120 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr Schutz bietet, der zudem noch erheblich höher ist als bei Levornorgestrel.“ Ulipristal sei nach wie vor in der gesamten EU rezeptpflichtig. „Ich befürchte, dass Frauen den Besuch beim Frauenarzt vermeiden, nicht beraten werden und ein Medikament einnehmen, dass sie schlechter schützt als der eigentliche Standard – nur weil Levonorgestrel in der Apotheke zu bekommen sein würde.“

Wiltrud Evers von der Beratungsstelle des Bottroper Frauenzentrums „Courage“ gibt zu Bedenken, dass Frauen, die Angst vor einer ungewollten Schwangerschaft haben, unter großem Druck stehen. Dass sie sich vor der Einnahme der „Pille danach“ einer ärztlichen Untersuchung unterziehen müssen, erhöhe den Druck zusätzlich. „Persönlich bin ich für eine rezeptfreie Abgabe“, so Evers.

Auch Dr. Jürgen Friedrichs, geschäftsführender Leiter der Jugendhilfe Bottrop, sieht in der rezeptfreien Abgabe keinen Freifahrtsschein für ungeschützten Sex. Er verweist darauf, dass Frauen in Lebenssituationen kommen können, in denen sie keine ärztliche Beratung wünschen. „Die höhere Schwelle durch die Rezeptbindung ist keine Lösung“, so Friedrichs.

Mittel verzögert oder verhindert den Eisprung

Die Hauptwirkung der „Pille danach“ besteht darin, dass sie den Eisprung verzögert oder verhindert. Je früher das Mittel nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr eingenommen wird, desto sicherer wirkt es. Im Februar vergangenen Jahres hat Ulipristal Levonorgestrel als Standardmedikament abgelöst. Die „Pille danach“ ist nicht zu verwechseln mit der Abtreibungs-Pille, die als Wirkstoff „Mifepriston“ enthält.

„Die Wirksamkeit von Ulipristal ist höher. Während die Wirkung von Levonorgestrel nur bei Frauen bis 75 Kilogramm belegt ist, wirkt Ulipristal bei einem Körpergewicht bis etwa 96 Kilogramm“, erklärt Dr. Hans-Christian Kolberg, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Marienhospital Bottrop.

In der medizinischen Fachliteratur wird allerdings diskutiert, ob Ulipristal auch die Einnistung einer bereits befruchteten Eizelle hemmt. Auch andere Mechanismen, wie die Behinderung von Spermien, stehen bei Ulipristal noch zur Disposition.