Herne. .
Durchatmen in Berlin, Abwarten in Herne: Am Morgen nach dem Hartz-Kompromiss wissen Jobcenter und Sozialverwaltung in Herne nicht mehr als jeder informierte Bürger. Meinolf Nowak, dem Sozialdezernenten der Stadt Herne, reicht das nicht für eine qualifizierte Aussage: „Ich habe auch nur gelesen, was in der Presse stand.“ Erst wenn Details bekannt seien, werde er sich über die Auswirkungen äußern. Inklusive der Umsetzung des „Bildungspaketes“ für Kinder, das nun doch die Kommunen verteilen sollen und nicht mehr die Jobcenter.
Dass dies so vereinbart wurde, ist auch Jürgen Heinrichs Informationsstand. Mehr als der Dezernent weiß der Bereichsleiter des Jobcenter Herne auch noch nicht. Außer: „Wenn der Regelsatz erhöht wird, wird automatisch nachgezahlt.“ Dass schon zum 1. März überwiesen wird, sei auszuschließen. Nach Presseagenturberichten werden voraussichtlich zum 1. April 20 Euro zusätzlich ausgezahlt. Knapp 13 000 Erwachsene haben laut Heinrich Anspruch auf die Regelsatzerhöhung. Etwa 8 200 sind Arbeitslose (mit Arbeitslosengeld II), der Rest steckt in Maßnahmen, ist zu Hause als (alleinerziehende) Mutter oder pflegende Angehörige unabkömmlich, oder ist „Aufstocker“, sprich: Sein Einkommen liegt unter dem Regelsatz.
Etliche Verschlechterungen beim ALGII im letzten Jahr
Viele dieser Menschen haben in den letzten Monaten bei Dagmar Spangenberg-Mades am Schreibtisch gesessen. Die Leiterin des Zeppelin-Arbeitslosen-Zentrums in Wanne-Süd kennt aus rund 950 Beratungen im Jahr die Probleme der ALG II-Empfänger, gehören doch 80 Prozent ihrer Klienten zu diesem Kreis. „Als Betroffener ist man schon mit wenig zufrieden“, mag sie die fünf Euro Erhöhung nicht pauschal verurteilen. Auf der anderen Seite fallen ihr etliche Verschlechterungen ein, die die Leistungsempfänger in der letzten Zeit schon verkraften mussten bzw. die ihnen noch drohen.
Das Elterngeld (300 Euro) wurde ihnen gestrichen und der „Arbeitslosengeldzuschlag“, der das Abrutschen von Arbeitslosengeld I auf Hartz-Niveau bis zu zwei Jahre lang abfedern konnte (bis zu 320 Euro für Paare). Chronisch Kranke müssen bei manchen Krankenkassen zusätzlich acht Euro monatlich zahlen – auch das eine relativ neue Belastung. Um nur einige Kürzungen zu nennen, „die die Erhöhung des Regelsatzes relativieren“, so Dagmar Spangenberg-Mades. Zumal noch einige rechtliche Einschränkungen anstehen: Zum Beispiel können rechtskräftig gewordene Bescheide bisher per „Überprüfungsantrag“ vier Jahre angefochten werden, demnächst nur noch ein Jahr.
Reaktion der Herner SPD gemischt
Durchwachsen fällt die Beurteilung von Gerd Bollmann aus: Dem SPD-Bundestagsabgeordneten „bleiben Zweifel, dass die Regelsätze nun verfassungskonform sind.“ Erfolge sieht Bollmann unterdessen beim Mindestlohn: „Da haben wir einiges erreicht.“ Nämlich: tariflich vereinbarte Löhne in der Zeitarbeit, der Weiterbildungs- und der Sicherheitsbranche gelten nun als Untergrenze.
Auch dass das Bildungspaket von den Jobcentern zu den Städten wandere, begrüßt der Politiker. Damit ist auch CDU-Bundestagsabgeordnete Ingrid Fischbach einverstanden, die auf die 400 Mio Euro Bundesmittel für Schulsozialarbeit und Mittagessen verweist. „Familien mit Kindern profitieren in großem Maße von den neuen Leistungen aus dem Bildungspaket“, ist Fischbach überzeugt. Ziel sei es nicht gewesen, den Betrag möglichst weit anzuheben, sondern ihn transparent darzustellen. Den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sei jetzt entsprochen worden.