Herne. .
Die drastische Erhöhung der Haftpflichtversicherungskosten für freiberufliche Hebammen auf 3700 Euro jährlich zwingt viele zum Aufhören. Konsequenz für Eltern: Sie haben kaum mehr Wahlmöglichkeiten, wo sie entbinden.
„Die Frauen haben keine Wahlfreiheit mehr, wenn es keine Beleghebammen mehr gibt“, sagt Sonja Henniges. Sie ist freiberufliche Hebamme im St. Anna-Hospital und ebenso wie ihre acht Kolleginnen von der drastischen Erhöhung der Haftpflichtversicherungskosten betroffen. Seit dem 1. Juli müssen freiberufliche Hebammen, die Geburtshilfe anbieten, 3700 Euro pro Jahr zahlen. Zum Vergleich: 2003 waren es 1353 Euro; das ist ein Anstieg von 250 Prozent.
„Da muss man sich gut überlegen, ob sich das überhaupt noch lohnt“, sagt Hebamme Ute Grau. Denn egal, ob sie nun zehn oder 80 Geburten im Jahr macht, der Versicherungsbeitrag bleibt immer gleich. Pro Krankenhausgeburt bekommt eine Hebamme 224 Euro, für eine Hausgeburt 448 Euro. Viele haben die Geburtshilfe bereits aus ihrem Angebot gestrichen, machen nur noch Vor- und Nachsorge oder Kurse. Das Geburtshaus in Witten musste bereits schließen. „Eine erschreckende Entwicklung, wenn man bedenkt, dass ohnehin nur 23 Prozent der freiberuflichen Hebammen Geburtshilfe anbieten“, sagt Grau weiter.
Wöchentliche Mahnwachen
Je weniger freiberufliche Hebammen es gibt, desto weniger haben die Familien die Möglichkeit, sich für eine der Geburtsarten zu entscheiden: Hausgeburt, Krankenhausgeburt oder Geburtshaus. Der Grund für die enorme Erhöhung der Versicherungssumme sind nicht etwa steigende Schadensfälle, sondern „vielfältigere Behandlungsmöglichkeiten bei Geschädigten“. Im Kreißsaal des St. Anna-Hospitals kommen jährlich rund 800 Kinder auf die Welt. Anders als in anderen Krankenhäusern arbeiten dort ausschließlich freiberufliche Hebammen. Ein Konzept, das funktioniert. „Wir empfinden das als Vorteil“, sagt Sonja Henniges. Denn anders als ihre Kolleginnen im typischen Schichtdienst, können sie die Frauen von Anfang bis Ende betreuen. Somit wird das vertrauensvolle Verhältnis, was sich zwischen werdender Mutter und Hebamme aufgebaut hat, nicht zerstört.
Neben den Geburten machen auch sie Vor- und Nachsorgen, bieten im Krankenhaus Rückbildungsgymnastik, Schwimmkurse oder Babymassage an. Nur von den Geburten allein können sie nicht leben.
Das neue Gesetz zur Haftpflichtversicherung trifft sie hart, dennoch machen sie erstmal weiter. Allerdings nicht, ohne ihren Unmut weiterhin kund zu tun. So zum Beispiel bei einer der bundesweiten Mahnwachen, die der Deutsche Hebammenverband wöchentlich organisiert.