Wattenscheid. .

Seit 16 Jahren ist Ines Kirschmann Hebamme aus Leidenschaft – das spürt man deutlich, wenn sie erzählt. Doch mittlerweile fragt sich die 49-Jährige, wie lange sie sich ihren Beruf noch leisten kann: Ines Kirschmann gehört zwar zu den Beleg-Hebammen des St. Anna-Hospitals in Herne, arbeitet aber freiberuflich.

Kranken-, Pflege- und Rentversicherungsbeiträge – all das muss sie selbst bestreiten. Ein dicker Batzen ist vor allem die Haftpflichtversicherung: Die Prämie hat sich in den letzten Jahren verzehnfacht. „Vor zwölf Jahren habe ich 730 Mark bezahlt“, erzählt Ines Kirschmann. „Heute sind es 3689 Euro.“ Und sollte tatsächlich ein Schadensfall eintreten, wovor keine Hebamme gefeit ist, käme es noch dicker: Dann würde sich die Prämie auf 4600 Euro erhöhen. „Das wäre dann weit mehr als ein Monatsbruttogehalt.“

Die Vergütung hingegen ist seit Jahren gleich geblieben: Die Kassen zahlen für die Betreuung einer Geburt im Krankenhaus 237 Euro, für einen Einsatz im Geburtshaus 445 Euro und für eine Hausgeburt 537 Euro. „Es gibt viele Kolleginnen, die in Teilzeit arbeiten“, weiß Ines Kirschmann. „Die werden wohl aufhören, weil sie jetzt fünfzehn Geburten allein für die Haftpflicht machen müssen.“

Wenn aber immer weniger Hebammen zur Verfügung stünden, könnten Frauen auch immer weniger selbst entscheiden, wie und wo sie ihre Kinder zur Welt bringen. „Es gibt ja schon lange keine Möglichkeit mehr, sein Kind in Wattenscheid zu bekommen – es sei denn, man entscheidet sich für eine Hausgeburt“, sagt Ines Kirschmann.

Sichtlich betroffen ist die Hebamme, dass zum Juli auch das Geburtshaus in Witten wegen der Erhöhung der Versicherungsprämie schließen will. „Die Geburtshilfe-Landschaft verarmt immer mehr“, kritisiert sie. Dabei müsse es eigentlich jeder Schwangeren ermöglicht werden, eine Geburtshelferin für sich zu haben. „Die Frauen sind heute zwar aufgeklärter, aber sie haben mehr Fragen, sind auch ängstlicher.“ Deshalb müsse die Geburtshilfe individueller werden, „aber das Gegenteil ist der Fall“.

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Dass sich die Versicherungsprämie so drastisch erhöht hat, liege übrigens nicht daran, dass mehr Fehler gemacht würden, betont Ines Kirschmann. „Die Schadensfälle sind nicht mehr geworden, aber die Kosten pro Schadensfall sind gestiegen.“ Weil immer mehr Kinder überleben, die zu früh geboren werden oder bei deren Geburt es Komplikationen gibt, weil die Schmerzensgeldhöhen nach amerikanischem Vorbild in die Höhe geschnellt sind. „Aber für die steigenden Kosten im Gesundheitswesen sind wir ja nicht allein verantwortlich“, kritisiert die Hebamme.

Rechnet sich ihr Beruf denn für Ines Kirschmann noch? „Ich mache 80 Geburten im Jahr, und es ist ein Beruf, in dem ich unbedingt arbeiten möchte“, sagt sie. „Auch wenn ich immer mehr Abstriche machen muss.“ Für ihre Kollginnen, die Hausgeburten betreuen, empfindet sie Solidarität. „Ich weiß aus vielen Studien, dass Hausgeburten definitiv nicht weniger sicher sind als in der Klinik. Aber wenn das so weiter geht, wird’s die bald nicht mehr geben.“