Herne. Bei der Europawahl 2024 in Herne hat die SPD ein Kopf-an-Kopf-Rennen hauchdünn gegen die CDU gewonnen. Die AfD landete auf Platz drei.
Wahlkrimi in Herne: Bei der Europawahl 2024 lieferten sich SPD und CDU ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Nach Auszählung aller 109 Wahlbezirke landeten die Sozialdemokraten nur hauchdünn vor den Christdemokraten. Nicht weit dahinter: die AfD.
Damit verlor die SPD bei der Europawahl zum zweiten Mal hintereinander deutlich an Stimmen. 2019 kam die SPD noch auf 26,8 Prozent, vor zehn Jahren sogar auf 43,1 Prozent. Die CDU, im „roten Herne“ immer nur auf Platz zwei, konnte erneut zulegen, für Platz eins reichte es aber nicht ganz. 2014 hatte die Union nur 20,0 Prozent erreicht. Die AfD, 2014 mit 13,2 Prozent auf Platz vier, schaffte den größten Stimmenzuwachs. Die Grünen mussten kräftig Federn lassen: Ihr Ergebnis halbierte sich gegenüber 2014 auf jetzt 9 Prozent.
Hernes OB: Profil der SPD muss geschärft werden
Die Kanzlerpartei SPD ist auf Bundesebene der Wahlverlierer. Auswirkungen für Herne kann OB Frank Dudda nicht erkennen: „Das war eine Europawahl“, sagte er zur WAZ. Spitzenkandidat sei nicht Olaf Scholz gewesen, sondern Katarina Barley. Die, stellte er nüchtern fest, habe „schon zum zweiten Mal kein besonders gutes Ergebnis für die SPD eingefahren“. Kritisch äußert sich der 61-Jährige über die Bundes-SPD: „Da ist kein Gesamtplan erkennbar.“ Dudda fordert: „Das Profil muss ganz klar geschärft werden, insbesondere bei der Frage der Migration.“
Ähnlich äußerte sich Hernes SPD-Chef im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion: „Wir mussten damit rechnen, dass es schwierig wird“, so Hendrik Bollmann. Doch dieses schlechte Ergebnis hatte er offenbar doch nicht erwartet. Man habe geglaubt, dass mit den 15,8 Prozent im Jahr 2019 der Boden erreicht gewesen sei, doch die erneuten Verluste verlangten nun eine Analyse. „Es kann nicht alles so weitergehen“, stellt er klar, der Zustand in Berlin - in der Ampelregierung - sei nur noch schwer tragbar. Bollmann verlangt eine klare Kurskorrektur, kommunikativ und inhaltlich. Gerade beim Thema Migration wüssten die Menschen nicht, wohin die SPD wolle. Eine Neuwahl, wie am Sonntagabend von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann gefordert, sieht auch Bollmann nicht.
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Positiver gestimmt war an dem Wahlabend die CDU. So ein knappes Rennen habe es in Herne noch nie gegeben, freute sich CDU-Chef Christoph Bußmann, noch während die Stimmen ausgezählt wurden. Er persönlich habe auf mindestens 23 Prozent gehofft. „Wir haben uns endlich etwas von den schlechten Ergebnissen der letzten Wahlen erholt. Das tut der geschundenen Seele gut.“ Das Ergebnis der AfD mache ihm jedoch große Sorge. Die Menschen, die die Alternative für Deutschland gewählt hätten, seien aber nicht alle Nazis, betont Bußmann. Vielmehr sei das ein Verschulden der anderen großen Parteien. „Daran haben wir alle Schuld.“ Er zeigt sich dennoch zuversichtlich: Viele von diesen Wählerinnen und Wählern könnten zurückgewonnen werden. Deswegen müsse sich die CDU jetzt um die wichtigen Themen wie Sicherheit und Wirtschaft kümmern. Diese Themen bewegten die Menschen, so Bußmann. Der Verlust der Grünen sei eine kleine Genugtuung, gibt der CDU-Chef zu. „Die Grünen hatten Hochmut.“
Hochzufrieden zeigt sich die AfD. Sie konnte ihr Ergebnis gegenüber der letzten Europawahl von über 13 auf über 18 Prozent steigern. „Wir sind stark in Herne, der Wähler mag uns“, sagt Hernes AfD-Chef Guido Grützmacher zur WAZ. Und: „Die Leute fallen auf die Hetze gegen die AfD nicht mehr rein.“ Grützmacher freut sich auch über das schlechte Abschneiden der Grünen. Mit ihren rund 8,7 Prozent in Herne seien sie nun dort, wo sie hingehörten. Mit Blick auf die kommenden Kommunal- und Bundestagswahl 2025 sieht er für die AfD in Herne noch „Luft nach oben“. Überbewerten will er diese Wahl aber nicht. Auch er sagt: Das war eine Europawahl.
„Das war kein guter Abend. Nicht in Europa, nicht in Deutschland und auch nicht in Herne“, sagte Grünen-Vorsitzender Stefan Kuczera zur WAZ, kurz nachdem die Ergebnisse feststanden. Die Partei liege nun auf dem Niveau von vor der Europawahl 2019. Damals hatten die Grünen noch 17,5 Prozent erhalten - in diesem Jahr nur noch bei 8,99 Prozent. Unter anderem die Themen rund um Fridays for Future hätten damals für das gute Ergebnis gesorgt. „Dieses Mal haben andere Themen eine Rolle gespielt, die nicht mit den Grünen assoziiert werden.“ Das aktuelle Ergebnis sei zwar das zweitbeste der Grünen bei einer Europawahl, „aber damit können wir uns selbstverständlich nicht zufriedengeben“. Und nicht nur, dass die Grünen unter der 10-Prozent-Grenze gelandet seien, sei enttäuschend. Besonders beunruhigend sei das Ergebnis der AfD, so Kuczera. „Damit können Demokratinnen und Demokraten nicht zufrieden sein.“