Herne. Bünyamin Bozkurt war mit seinem Geschäft „Bonno Green“ auf die Cannabis-Legalisierung vorbereitet. Seitdem erlebt er den „absoluten Wahnsinn“.
Den 2. April 2024 wird Bünyamin Bozkurt wohl nicht mehr vergessen. Ein Tag zuvor, am Ostermontag, war die Cannabis-Legalisierung in Kraft getreten, am Dienstag hatte der Handel wieder geöffnet. Als der Herner morgens zu seinem kleinen Geschäft „Bonno Green“ an der Altenhöfener Straße kam, standen und saßen Menschen vor dem Geschäft. „Das kam mir komisch vor. Ich dachte, die Polizei macht in Zivil eine Kontrolle.“ Wenig später dämmerte es ihm, dass es sich um Kunden handeln muss. Als er auf das Telefon schaute, leuchteten mehr als ein Dutzend Anrufe in Abwesenheit auf. Und als er die Tür aufschloss, strömten die ersten sieben, acht Kunden in den Laden. Seitdem erlebe er einen stetigen Kundenansturm, „es ist der absolute Wahnsinn“.
Dieser Wahnsinn lässt sich erklären: Bozkurt hat im vergangenen Jahr in Herne-Süd sein Geschäft eröffnet. Das sehe er in erster Linie als kleines Gartencenter, das alle nötigen Mittel anbietet, um Pflanzen in der eigenen Wohnung anzubauen. Allerdings war er mit seinem Sortiment gleichzeitig für eine Cannabis-Legalisierung vorbereitet, denn eine Säule der Gesetzgebung ist der Privatanbau von Cannabispflanzen für den Eigenbedarf. Sollte die Legalisierung tatsächlich kommen, habe er schon die Nische des Privatanbaus besetzt, so Bozkurts Kalkül im vergangenen Sommer.
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Doch sollte das Gesetz tatsächlich den Bundesrat passieren? Er habe die entscheidende Sitzung mit ein paar Freunde im Livestream verfolgt. Als die Legalisierung festgestanden habe, sei der Jubel groß gewesen, an dem Tag seien viele Leute ins Geschäft gekommen und hätten sich vergewissert, dass Cannabis tatsächlich ab dem 1. April legal ist.
Kundinnen und Kunden jeglichen Alters, Nationalität, Hautfarbe oder Religion
Das Interesse sei schon früher vorhanden gewesen, doch seit dem 1. April sei die Nachfrage geradezu explodiert. „Seitdem sieht man, wie viel vorher hinter dem Vorhang verborgen war“, so Bozkurt im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Er habe nun Kundinnen und Kunden jeglichen Alters, Nationalität, Hautfarbe oder Religion. „Leute, von denen wir niemals gedacht hätten, dass sie Cannabis konsumieren.“ Zu den Kunden im Geschäft kämen zahllose Anfragen über Facebook oder Instagram. „Und wir wollen den Menschen Unterstützung bieten, keine Pflanze soll sterben.“
Bozkurt und seinen Mitarbeitern sei die Ware quasi aus den Händen gerissen worden, egal ob Erde, Dünger, Lampen oder Zelte. Selbst die Ausstellungsstücke habe er verkauft. Da habe es kein Halten mehr gegeben. „Die Hersteller kommen nicht mehr hinterher, Händler wie wir kommen auch nicht mehr hinterher.“ Er habe bis tief in die Nacht Pakete gepackt, um sie zu den Kunden zu schicken. Und die Paletten mit Pflanzenerde, die im Geschäft liegen? Seien längst vorbestellt. Diese riesige Nachfrage sei logisch. Cannabis sei nun legal, da die Social Clubs aber erst zum 1. Juli öffnen dürfen, gebe es keine legale Verkaufsstelle. Also sei man auf den Eigenanbau angewiesen.
Trotz des Stresses mache die Arbeit natürlich Spaß, so Bozkurt, er wolle den Schwung und den Umsatz natürlich mitnehmen. Ihm sei klar, dass die Nachfrage abflauen wird. Irgendwann werde der Markt für den Eigenanbau gesättigt sein, vielleicht seien manche Hobby-Cannabis-Gärtner auch nicht mit dem Ergebnis zufrieden und kauften doch lieber unkompliziert in einem der Social Clubs. Die würden auch in Herne entstehen, so Bozkurts Vorhersage. In seinen zahlreichen Kundengesprächen habe er ein reges Interesse registriert.
Trotz Legalisierung sieht Bozkurt Kritikpunkte am Gesetz
So sehr er sich über die Legalisierung freut, er übt nach wie vor Kritik am Gesetz. „Es gibt aus meiner Sicht nach wie vor Punkte, die man definitiv überarbeiten muss“, so Bozkurt. Etwa den Jugendschutz. So gebe es das Light-Cannabis-Projekt. Das soll junge Menschen vom Schwarzmarkt fernhalten. In der Theorie legitim, doch durch den frühen Konsum können die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigt werden. „Vielleicht sollte man da mehr Aufklärungsarbeit leisten, damit diese Jugendlichen nicht in Versuchung kommen, Cannabis auszuprobieren.“
Ein anderes Problem: Nun sei die Teillegalisierung da, aber keine legalen Verkaufsstellen. „Das bedeutet aber, dass die Leute auf den Schwarzmarkt zurückgreifen müssen, um sich Cannabis zu beschaffen“, so Bozkurt. Wer jetzt mit dem Eigenanbau begonnen habe, könne erst frühestens im Juli ernten. Auch die Social Clubs würden erst im Juli an den Start gehen.