Herne. Attacken auf Politiker in Dresden und Essen sind kein Einzelfall. Auch in Herne gab und gibt es Angriffe. Sogar Autos gingen in Flammen auf.
Angriffe auf den SPD-Politiker Matthias Ecke in Dresden und den Essener Bürgermeister Rolf Fliß (Grüne) sorgen auch in Herne für Fassungslosigkeit. In Gelsenkirchen gab es außerdem eine Attacke auf ein Wahlbüro der Grünen. Mitten im Wahlkampf für die Europawahl am 9. Juni scheint die Sicherheit für Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer gefährdet zu sein. Erschwerend kommt hinzu: In Herne kochen Erinnerungen hoch. Hier gab es zuletzt Brandanschläge gegen Kandidaten.
Als Hendrik Bollmann, Chef der Herner SPD, erfuhr, dass sein Parteifreund Matthias Ecke in Dresden krankenhausreif geschlagen wurde, sei ihm ein Schauer über den Rücken gelaufen, sagt er der WAZ. Nicht nur angesichts der Brutalität, sondern auch angesichts der Tatsache, dass er mit seinem Team kurz zuvor selbst Plakate aufgehängt hat - nachts. Am Montagabend hat der Herner SPD-Vorstand beraten, wie es nach den Angriffen in Dresden und Essen weitergehen soll, das Ergebnis: Es werde dabei bleiben, dass auch in den Abendstunden plakatiert werde, weil dann die Verkehrslage ruhiger und weniger gefährlich für die Ehrenamtlichen sei. Allerdings seien nur Teams mit mindestens drei Personen unterwegs.
Körperliche Angriffe seien beim Plakatieren bislang noch nicht vorgekommen, sagt Bollmann, doch er berichtet von Pöbeleien von vorbeifahrenden Autofahrern. Und wenn dann jemand „Landesverräter“ rufe, „dann ist man schon beeindruckt“.
![„Es kann nicht sein, dass ehrenamtliche Helfer Angst haben müssen“: Hernes SPD-Chef Hendrik Bollmann. „Es kann nicht sein, dass ehrenamtliche Helfer Angst haben müssen“: Hernes SPD-Chef Hendrik Bollmann.](https://img.sparknews.funkemedien.de/242270704/242270704_1715006675_v16_9_1200.jpeg)
Auch den Infoständen träten manche Menschen ziemlich aggressiv auf, allerdings sei der weitaus größte Teil gesprächsbereit. Viele Menschen seien frustriert über die Politik und manchmal auch zurecht, „aber es kann nicht sein, dass ehrenamtliche Helfer Angst haben müssen“, so Bollmann. Jeder müsse sich fragen, wie er zur politischen Kultur beitrage - und Bollmann macht keinen Hehl daraus, dass er damit in erster Linie die AfD meint. Vor dem Hintergrund der jüngsten Angriffe bekomme die Ankündigung des AfD-„Ehrenvorsitzenden“ Alexander Gauland eine völlig neue Qualität. Gauland hatte nach der Bundestagswahl 2017 gesagt: „Wir werden sie jagen.“ Bollmann: „Man kann nicht immer sagen: Das hab ich nicht so gemeint.“
Herne: Brandanschläge auf Politiker-Fahrzeuge
![Erinnerungen an die Brandanschläge kommen hoch: Hernes CDU-Kreisvorsitzender Christoph Bußmann. Erinnerungen an die Brandanschläge kommen hoch: Hernes CDU-Kreisvorsitzender Christoph Bußmann.](https://img.sparknews.funkemedien.de/242270708/242270708_1715006675_v16_9_1200.jpeg)
Erschüttert über die Angriffe zeigt sich auch der CDU-Kreisvorsitzende Christoph Bußmann. Er spricht von einer „bewussten Einschüchterungstaktik“, die die Angreiferinnen und Angreifer führten. Damit wollten sie Mitglieder der demokratischen Parteien quasi mundtot machen. Das würden diese aber nicht zulassen. Sie würden auch weiterhin plakatieren, stellt Bußmann klar. Dennoch gelte es, jetzt besonders aufzupassen. In der Regel seien die Parteifreundinnen und -freunde mindestens zu zweit beim Plakatieren unterwegs. Nicht verhehlen will er, dass durch die Angriffe in Dresden und Essen jetzt wieder die Brandanschläge in Herne hochkämen. 2017 gab es im Landtagswahlkampf zwei Brandanschläge auf das Wahlkampfauto von CDU-Kandidat Sven Rickert, außerdem wurde sein Privatwagen angezündet. Opfer von Brandanschlägen wurde auch Michelle Müntefering: 2017 zündeten ebenfalls Unbekannte ihren Wahlkampfbus und ihr Privatauto an.
![In Flammen stand 2017 nachts das Auto von CDU-Ratsherr Sven Rickert. Unbekannte hatten es im Wahlkampf angezündet. In Flammen stand 2017 nachts das Auto von CDU-Ratsherr Sven Rickert. Unbekannte hatten es im Wahlkampf angezündet.](https://img.sparknews.funkemedien.de/242270702/242270702_1715006675_v16_9_1200.jpeg)
„Natürlich denkt man jetzt daran zurück“, sagt CDU-Ratsherr Sven Rickert über die Brandanschläge gegen ihn. Ihm sei ganz schön mulmig zumute, wenn er nun an die Attacken auf die anderen Politiker schaue. Und die Brandanschläge seien ja nicht alles gewesen. Auch sein Kopf sei schon aus Wahlplakaten herausgeschnitten worden, sagt er zur WAZ. All diese Attacken seien durch nichts zu entschuldigen. Im Gegenteil: Sie seien „Angriffe auf die Demokratie“. Hinnehmen dürfe man diese in keinem Fall. Dennoch müsse man sich schützen. Wenn er jetzt im Europawahlkampf auf die Straße gehe, dann verzichte er beim Plakatieren bewusst auf seine CDU-Montur, also etwa den Windbreaker mit CDU-Logo. Er wolle keine Zielscheibe für Angreifer sein.
„Ich lasse mich dadurch nicht verunsichern“, stellt die Herner SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering mit Blick auf die Brandanschläge auf ihre Autos mit. Natürlich machten sich die Wahlkämpfenden Sorgen, wenn Übergriffe wie die in Dresden und Essen passieren. „Das wollen einige ja nur: Einschüchterung. Die werden wir ihnen aber nicht geben.“ Jetzt müsse sich die Demokratie beweisen und zeigen, „dass wir wehrhaft sind. Dafür braucht es Aufklärung, aber auch Konsequenzen“.
![„Ich lasse mich dadurch nicht verunsichern“: die Herner SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering. „Ich lasse mich dadurch nicht verunsichern“: die Herner SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering.](https://img.sparknews.funkemedien.de/242270706/242270706_1715006675_v16_9_1200.jpeg)
Herner FDP-Chef: „Wir sind vorsichtig“
Thomas Bloch, Vorsitzender der Herner FDP, nimmt ebenfalls eine gereizte Grundstimmung wahr, das spüre er an den Infoständen. Zahlreiche Menschen zeigten sich inzwischen ablehnend gegenüber der Politik. Von körperlichen Angriffen berichtet er nicht, doch für die nächsten Wochen sei klar: Plakate würden nur noch mindestens zu zweit geklebt, sagt auch er, und an den Infoständen seien ja sowieso immer mehrere Parteimitglieder. Bloch: „Wir sind vorsichtig.“