Herne. Zerschnittene Kabel führten im Oktober 2022 zu einem Totalausfall bei der Bahn. Werden die Leitungen nun besser geschützt? Kaum.
Eineinhalb Jahre, nachdem Herne wegen durchtrennter Kabel international Schlagzeilen gemacht hatte, haben sich die Schutzmaßnahmen kaum verbessert. Am Bahnhof Herne liegen gut sichtbar und erreichbar für Fahrgäste Kabel offen. Was von der Bahn noch nicht einmal bestritten wird: Die Sicherung scheint für die Bahn kaum Stellenwert zu haben.
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Kabel mit eindeutiger Markierung für Telekommunikation
Man muss seinen Blick nicht lange schweifen lassen. Direkt vom Bahnsteig 1 am Herner Bahnhof hat man freie Sicht auf die Kabel, die in einer Betonröhre liegen. Die Betondeckel sind abgenommen. Zum Teil liegen sie kreuz und quer auf den Kabeln und drücken auf die Leitungen. Wer nicht weiß, worum es geht, wird schnell belehrt. Die Kabel tragen eindeutige Symbole. Hier verlaufen Daten- und Kommunikationsleitungen. Man müsste ins Gleisbett treten, um an die Kabel zu gelangen. Aber das hatte Straftäter in den vergangenen Fällen nicht abgehalten.
Auf WAZ-Nachfrage bedankt sich eine Bahnsprecherin lediglich für den Hinweis. „Wir haben ihn samt der Fotos an unseren Fachbereich weitergegeben, der sich umgehend darum kümmern wird“, heißt es aus Düsseldorf. Auf weitere Fragen zur Sicherheit hat die Redaktion auch gut zwei Wochen nach der Anfrage noch keine Antworten erhalten.
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Vorfall am 8. Oktober 2022: Große Aufregung und Terrorismusverdacht
Die Tatsache, dass die Leitungen am Bahnhof offen liegen, könnte besondere Brisanz durch diesen Hintergrund erhalten: Herne war am 8. Oktober 2022 in den Fokus geraten. Weil zeitgleich zu einem Vorfall bei Berlin Datenkabel in der Nähe des Herner Bahnhofs durchtrennt wurden, fiel das komplette Bahnfunksystem in Norddeutschland aus. Der Zugverkehr lag über Stunden lahm.
Die Bundesanwaltschaft übernahm den Fall, in Berlin war von Staatsterrorismus die Rede. „Ausländische Mächte“ sollten den Angriff gezielt verübt haben, russische Agenten trügen die Verantwortung. Die Ermittlungen verliefen letztlich im Sande. Von den Ermittlern kamen nur noch wortkarge Kommentare. Am Ende schlugen wohl eher zufällig Kabeldiebe an beiden Stellen parallel zu.
Unterbrochene Leitungen: Kabeldiebstähle oft verantwortlich
Die zunächst zuständige Bochumer Polizei hatte von Anfang an vor voreiligen Verdächtigungen gewarnt. Man müsse sich an Fakten entlanghangeln. Es komme ohnehin regelmäßig zu Attacken auf die Anlagen in Herne, hieß es damals gegenüber der Redaktion aus dem Umfeld der Bahn. Dabei spiele oft der Versuch von Kabeldiebstählen eine Rolle. Wiederholt kam es dadurch auch zu Zugausfällen, beispielsweise, weil Stellwerke durch unterbrochene Leitungen keinen Zugriff mehr hatten.
Die Bahn geriet auch in die Kritik, weil sie wichtige Daten zur Lage der Leitungen, ihrem Netz und sogar wichtige interne Notfallnummern im Internet veröffentlichte. Die WAZ berichtete damals darüber. Die Bahn betonte grundsätzlich, dass man nicht jeden Gleiskilometer in Deutschland lückenlos schützen könne. Die Veröffentlichung der Daten sei außerdem oft vorgeschrieben.
Zwei Wochen nach der WAZ-Anfrage hat die Bahn zumindest baulich reagiert. Die Betondeckel am Herner Bahnhof wurden wieder über die Schächte gelegt, so dass die Leitungen wieder verdeckt sind. Dafür liegen die Röhren nun ein Stück weiter hinten offen.