Herne. Wer steckt hinter der Attacke auf das Kabel für den Bahnfunk in Herne? Ein Ortsbesuch im Bereich des Tatorts zeigt, wie leicht es Täter hatten.
Der Zaun ist heruntergetreten. Ein Trampelpfad führt Richtung Gleise. Eine Diesellok tuckert im Hintergrund vorbei. Ein Mann verschwindet nach ein paar Schritten vollends im Dickicht der hochgewachsenen Birken. Der Bahnbereich östlich des Herner Bahnhofs ist ein einsamer und zwielichtiger Ort. Für gewöhnlich interessiert sich niemand dafür – bis Samstag. Denn einen dieser Wege hinter dem Herner Bahnhof könnten auch Geheimagenten genommen haben, als sie eine gezielte Attacke auf das deutsche Funknetz der Bahn fuhren, ein Kabel durchtrennten und den Zugverkehr in Norddeutschland zum Erliegen brachten. Vielleicht – und das ist die Krux für die Ermittler – waren auch nur gewöhnliche Kabeldiebe aktiv. Mittlerweile haben sich Zeugen bei der Polizei gemeldet (zum Bericht geht es hier!)
Ermittlungen mit Hochdruck nach Attacke auf das Bahnnetz
Der Staatsschutz ermittelt jedenfalls mit Hochdruck, bekräftigt der Bochumer Polizeisprecher Frank Lemanis auf WAZ-Nachfrage. Die bei der Bochumer Polizei ansässigen Experten haben die Ermittlungen übernommen „weil ein politischer Hintergrund nicht ausgeschlossen werden kann“ (mehr Details hier!). Das allerdings ist es nicht alleine: „Wir müssen alle Optionen im Auge haben“, sagt Sprecher Lemanis. Die Ermittlungen laufen in Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt Berlin, das den dortigen Vorfall untersucht. Die Frage sei, ob es eben den Zusammenhang gebe. Sonntag und Montag wurden noch einmal Spuren gesichert. In Berlin werden zeitgleich schon Stimmen von einem Angriff „ausländischer Mächte“ laut. Ermittelt wird zunächst wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr.
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Der Tatort befindet sich zwischen Fabrikstraße im Norden und den Wohnhäusern am Beien-Weg östlich des Bahnhofs Herne. Die Täterinnen oder Täter sollen dort gegen 2 Uhr nachts ein Hauptkabel für das Bahnfunknetz GSM-R durchgeflext haben. Später ereignete sich ein fast identischer Vorfall in Berlin. Dort wurde offensichtlich die Ersatzleitung getroffen. Das gesamte Netz fiel aus. In Norddeutschland mussten die Züge stehenbleiben, weil keine Kommunikation mehr möglich war.
Bahn und Polizei äußern sich noch nicht zu Details
Zu Details der Tat äußern sich weder Bahn noch Polizei: Man wolle keine Nachahmer anlocken. Den genauen Tatort irgendwo auf dem Bahngelände zeigen die Ermittler aus dem Grund auch nicht öffentlich. „Klar ist: Sicherheit ist für die Deutsche Bahn oberstes Gebot“, sagt ein Bahnsprecher. Dazu gehöre auch „der Schutz der sensiblen Infrastrukturanlagen wie Gleise, Bahnhöfe, Weichen, Signale, Telekommunikationsanlagen, Brücken, Tunnel oder Umschlag-, Rangier- und Abstellanlagen.“ Zu individuellen Sicherheitskonzepten wolle man sich nicht äußern. Unbeantwortet bleibt auch die Frage, was dahintersteckt, dass die entscheidende Leitung für den norddeutschen Bahnfunk ausgerechnet durch Herne verläuft.
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Man muss wohl kein Geheimagent sein, um die Kabel-Infrastruktur der Bahn zu zerstören: Unweit des Bahnhofs liegt direkt neben einem öffentlichen Weg eine Leitungstrasse offen. Jemand hat einen Betondeckel beiseitegeschoben. In dem Betonkanal liegen mehrere zentimeterdicke Kabel nebeneinander. Die Kabel für die Kommunikation kann man klar erkennen. Sie sind ja entsprechend beschriftet. Allerdings: Um gezielt das für die entscheidende GSM-R-Leitung zu finden, muss man sich wohl besser auskennen. Das bestätigt auch ein Experte gegenüber der Redaktion.
Bahn: Streckennetz von 34.000 Kilometern lässt sich nicht lückenlos überwachen
„Die DB hat ein Streckennetz von rund 34.000 Kilometern – eine lückenlose Überwachung ist damit nicht umsetzbar“, sagt die Bahn auf WAZ-Nachfrage. „Zentral für die Sicherheit sind die 4300 Sicherheitskräfte der DB, die Hand in Hand mit 5500 Beamten der Bundespolizei zusammenarbeiten. Sicherheitsteams, die die Infrastruktur systematisch kontrollieren, sind nur ein Beispiel.“
Angriffe auf die Kabel in und um Herne seien an der Tagesordnung, heißt es aus dem Umfeld der Bahn gegenüber der Redaktion. Oft seien es Obdachlose oder Junkies, die die Betondeckel von den Kabelkanälen heben. Mitunter seien Kabel mit dem Beil zerhackt, dünnere Kabel einfach nur durchgeknipst. Die Schäden entstehen oft wahllos, weil die Täter ganz schön lange durchprobieren müssen, bis sie wertvolle Kupferkabel finden. Etliche wurden in der Vergangenheit durch Glasfaser ersetzt.
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Rätsel um angebliche Stellwerksstörung am Samstag in Herne
Rätselhaft bleibt unterdessen auch die Stellwerksstörung, die es am Samstag in Herne gegeben haben soll. Der Ausfall soll möglicherweise mit dem Angriff zu tun haben, meldete die Bundespolizei. Dieser Ausfall sei der Bahn – immerhin Betreiber des Stellwerks – aber selbst nicht bekannt, erklärte ein Bahnsprecher am Montag.