Herne. Die Gewerkschaft Verdi schlägt Alarm: Im Herner Zentrallager des Discounters Lidl würden seit einiger Zeit unhaltbare Zustände herrschen.

Die Stimmung war bestens bei den Beteiligten, als der Discounter Lidl im Oktober 2022 zum offiziellen Spatenstich für das neue Zentrallager geladen hatte - ein Vorzeigeprojekt, das die Stadtgrenze von Herne und Bochum überschreitet. Doch hinter den Kulissen scheint seit einiger Zeit ein Klima der Angst zu herrschen. Das jedenfalls berichtet die Gewerkschaft Verdi. Die Rede ist von Einschüchterung der Belegschaft und von Drangsalierungen des Betriebsrats.

Verdi-Sekretär Azad Tarhan kann aus dem eigenen Erleben berichten, welche Stimmung und Zustände im Lidl-Lager herrschen. Früher sei die Zusammenarbeit mit der Betriebsleitung gut gewesen, doch das habe sich nach einem Personalwechsel dramatisch geändert.

Beste Stimmung herrschte beim Spatenstich für die Erweiterung des Lidl-Zentrallagers, das über die Stadtgrenze von Herne und Bochum reicht. Doch hinter den Kulissen gebe es Drangsalierungen, prangert die Gewerkschaft
Beste Stimmung herrschte beim Spatenstich für die Erweiterung des Lidl-Zentrallagers, das über die Stadtgrenze von Herne und Bochum reicht. Doch hinter den Kulissen gebe es Drangsalierungen, prangert die Gewerkschaft © WAZ | Lidl

Er selbst dürfe als Verdi-Sekretär an den Betriebsversammlungen teilnehmen und habe bei einer Versammlung vor etwa drei Wochen einen ganz normalen Beitrag zur laufenden Tarifrunde nicht störungsfrei halten können. „Ich habe dann gesagt: So kann ich den Beitrag nicht halten. Ihr könnt den Raum verlassen, wenn es Euch nicht interessiert.“ Er selbst könne das als Gewerkschaftssekretär aushalten, aber durch die aggressive Stimmung überlegten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr genau, ob sie für jemanden Partei ergreifen. Tarhan: „Ich bin geschockt, wie diese Betriebsversammlungen ablaufen.“

Verdi-Sekretär: Druck hat im Sommer 2022 begonnen

Der Druck hat nach den Worten von Tarhan im Sommer 2022 begonnen. Verdi habe im Zuge der Erweiterung des Lagers - die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen begrüßt die Gewerkschaft ausdrücklich - die Belegschaft auf mögliche Veränderungen der Arbeitsbedingungen aufmerksam gemacht und geraten, die üblichen Änderungskündigungen überprüfen zu lassen, damit sich die Arbeitsbedingungen nicht verschlechtern. „Man hat damals schon gespürt, dass der Arbeitgeber Widerstand aufbaut“, so Tarhan.

Parallel dazu würden der Betriebsratsvorsitzende und weitere Betriebsräte ab dem Sommer 2022 mit Klagen und Kündigungen überzogen - die bislang alle abgeschmettert worden seien. Hinzu kämen Abmahnungen und Beschwerden. Tarhan vermutet, dass auch dies im Zusammenhang mit der Erweiterung steht. Denn Lidl wolle die Uhrzeit des Arbeitsbeginns verändern, wolle neue Zeiten am Wochenende einführen. Tarhan: „Die jetzige Situation ist besser für die Beschäftigten, deshalb hat der Betriebsrat klargemacht, dass diese Änderungen angesichts der betrieblichen Mitbestimmungsregeln nicht einfach so umgesetzt werden können.“

Schon mehr als 2000 Menschen haben Petition gegen Lidl unterzeichnet

Das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften mag zwar immer etwas angespannt sein, aber solche Verhältnisse habe er noch nie erlebt, erzählt Tarhan. Seine Vermutung: Die Betriebsratsmitglieder sollen mürbe gemacht werden, sodass sie irgendwann aufgeben und Lidl einen Betriebsrat installieren könne, der dem Arbeitgeber wohlgesonnen ist. Tarhan: „Das, was dort bislang passiert ist, ist legal. Der Arbeitgeber darf das. Aber es gibt für mich einen großen Unterschied zwischen legal und legitim. Lidl tut so, als ob die Demokratie am Werkstor endet.“

+++ Nachrichten aus Herne. Lesen Sie auch +++

Angesichts der dramatischen Entwicklung hat Verdi inzwischen die Parteien im Herner Rat informiert und eine Petition gestartet. Die haben innerhalb kurzer Zeit mehr als 2000 Menschen unterzeichnet. Das Ziel formuliert Tarhan eindeutig: Es soll öffentlicher Druck erzeugt werden. Der Schwarz-Konzern, der hinter Lidl steht, reagiere nur auf Druck. Die Belegschaft soll sehen, dass jemand hinter ihnen stehe, gerade die Betriebsräte, die bedroht würden. „Das ist im Moment für die schweigende Mehrheit der Belegschaft wichtig.“ Tarhans Hoffnung: dass der Arbeitgeber die Notbremse zieht und Klagen sowie Kündigungen einstellt.

Lidl: Die geschilderten Behauptungen entsprechen nicht unseren Grundsätzen

Lidl teilt auf Anfrage der Herner WAZ-Redaktion mit, dass man zu laufenden und nicht rechtskräftig abgeschlossenen Gerichtsverfahren keine Stellungnahme abgebe. Weiter teilt das Unternehmen mit: „Wir dürfen Ihnen aber versichern, dass uns eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Betriebsratsgremium wichtig ist. Die von Ihnen geschilderten Behauptungen entsprechen nicht unseren Grundsätzen.“ Zu weiteren Fragen der Herner WAZ nimmt Lidl keine Stellung.

.