Herne. Ein vermeintlich todkranker Herner übereignet seinen Hund dem Tierheim. Falscher Alarm, so Ärzte. Nun kämpft er um die Rückgabe von Lucky (8).
Mit einer vermeintlich tödlichen Krankheit hat sich der Herner Michael K. (Name der Redaktion bekannt) Anfang des Jahres zur Behandlung ins Marien Hospital begeben. Um die Zukunft seines Hundes Lucky (8) zu sichern, hatte der alleinstehende 61-Jährige kurz zuvor dem Tierheim Herne-Wanne den Labrador-Mischling per Vertrag übereignet und abholen lassen. Wenige Tage später gab es Entwarnung: Die Krankheit war weniger schwerwiegend als befürchtet. Aus der Klinik entlassen, eilte K. direkt zum Tierheim an der Hofstraße in Röhlinghausen - und erlebte eine böse Überraschung.
Der Tierschutzverein verweigerte ihm die Herausgabe des Hundes, mit dem er seit sechs Jahren (fast) jede Minute verbracht hat. Mit Verweis auf die körperliche und psychische Verfassung von K. wies die Einrichtung den Wunsch auf Rückgabe von Lucky zurück. Es sei nicht gewährleistet, dass er den Hund auf Dauer und vor allem artgerecht halten könne, so die Botschaft des Vorstands. Eine Haltung, die nicht nur bei Michael K. auf Unverständnis stieß: Ob Ärztin, Streetworker, Journalist, SPD-Politiker, Tierschützer oder Bäckereimitarbeiterin - zahlreiche Menschen wurden beim Tierheim vorstellig. Ohne Erfolg: Nach rund einem Monat wurde Lucky an Dritte vermittelt. Der Herner will den Kampf aber noch nicht aufgeben.
„Das Tierheim hat zwei Leben zerstört - meins und das von Lucky“, sagt K. im Gespräch mit der WAZ. Schon seit seiner frühesten Kindheit lebe er fast durchgängig mit Hunden. „Mein Vater war Polizist. Ich habe noch gekrabbelt, als er einen bei der Polizei ausgemusterten Schäferhund mit nach Hause nahm.“
Lucky habe er seit nunmehr sechs Jahren. Der Labrador-Mischling sei in Rumänien von Tierschützern vor dem Tod gerettet worden. Der Hund habe es immer gut bei ihm gehabt: „Er ist mein Ein und Alles.“ Er habe einst ein schwerwiegendes Suchtproblem gehabt, sei aber seit vielen Jahren im Methadonprogramm. Er wohne mit Lucky in einer 52-Quadratmeter-Wohnung, dem Hund fehle es an nichts. „Wenn ich in Not wäre, würde ich eher hungern, bevor mein Hund nicht genug zu fressen bekommt“, sagt der 61-Jährige.
Herner Klinikärztin erklärte sich zur Übernahme von Tierarztkosten bereit
Der Wanner Streetworker Fabian Rybak (Diakonie), der ihn seit Jahren kennt, bestätigt die enge Bindung zwischen Hund und Herrchen. Rybak ist schriftlich sowie persönlich mit K. beim Tierschutzverein vorstellig geworden. Spontane Unterstützung gab es zudem von zwei Mitarbeiterinnen einer Bäckerei in Herne-Mitte, die K. schon 2015 mit seinem früheren Hund regelmäßig ansteuerte, um dort Kaffee zu trinken. Die Frauen begleiteten ihn ebenfalls ins Tierheim, um für ihn zu bürgen.
„Auch andere Kunden, die Michael kennen, sind entsetzt“, sagt eine der Bäckerei-Mitarbeiterinnen. Für den Fall, dass es an Geld mangele, seien einige sogar zu einer finanziellen Unterstützung bereit. Sie sind nicht die einzigen: Eine Ärztin von K. erklärte sich gegenüber dem Tierheim bereit, alle in Zukunft anfallenden Tierarztkosten übernehmen zu wollen. Die Medizinerin bestätigte dies gegenüber der WAZ.
Nach einem Monat meldete das Tierheim die Vermittlung von Lucky
Über den Streetworker zog der Fall noch weitere Kreise. Der freie Herner Journalist Arne Pöhnert wurde ebenso aktiv wie Hernes SPD-Chef Hendrik Bollmann und Tafel-Vorstandsmitglied (und Tierschützer) Martin von Berswordt. Sie nahmen Kontakt zu Tierheim-Geschäftsführerin Veronika Wolff auf. Vergeblich. Gut einen Monat nach der Übereignung von Lucky meldete der Tierschutzverein auf seiner Homepage, dass der Rüde inzwischen vermittelt worden sei. Und zwar: an eine Familie, die dem Tierheim schon länger bekannt sei, so Wolff zur WAZ.
Für sie gehe es einzig und allein darum, im Sinne des Tierschutzes und zum Wohle des Hundes zu handeln, begründet sie die Haltung des Tierheims. K. sei nicht in der Lage, sich zuverlässig und verantwortungsvoll um Lucky zu kümmern. Das sei ihm auch schon äußerlich anzusehen, sagt Wolff. Von zwei älteren Damen wisse sie zudem, dass K. von ihnen aus Geldmangel Futterspenden entgegengenommen habe. Außerdem habe er den Labrador-Mischling nicht regelmäßig impfen lassen. Hintergrund: Es gibt in Deutschland keine Impfpflicht, jedoch Empfehlungen für Auffrischungsimpfungen.
Bereits 2023 habe K. Lucky beim Tierheim (gegen Gebühr) aufgrund eines Klinikaufenthaltes für einige Tage in Pension geben müssen, sagt die Geschäftsführerin. Dass sich so viele Menschen für K. einsetzten, sei für sie kein Kriterium. Wenn es darauf ankomme, werde keiner der Unterstützer Lucky aufnehmen. Und: Es störe sie ungemein, so Wolff, dass so viele Menschen dem Tierheim sagen wollten, was hier zu tun sei. „Wir mischen uns doch auch nicht in deren Arbeit ein.“ Für die WAZ gilt dies allerdings nicht: Die Geschäftsführerin wunderte sich über die Presseanfrage und stellte in Abrede, dass ein öffentliches Interesse an diesem Fall besteht.
Jenseits der Frage, ob K. als Hundehalter geeignet sei, gebe es eine klare Rechtslage, an der nicht zu rütteln sei, betont Veronika Wolff. Schließlich sei ihnen Lucky rechtmäßig übereignet worden. Nachträglich überprüfen lässt sich das für K. derzeit nicht: Er hat vom Tierheim keine Kopie des von ihm unterschriebenen Vertrags erhalten. Wenn ihm das Schriftstück vorliege, werde er über rechtliche Schritte nachdenken, kündigt der Herner an. Der WAZ wollte das Tierheim den Vertrag „aus Gründen des Datenschutzes“ nicht zeigen.
Kann er möglicherweise geltend machen, dass er den Hund in einer psychischen Ausnahmesituation abgegeben hat? Eine Anfechtung des Vertrags sei aus diesem Grund theoretisch möglich, sagt Peer Fiesel, Rechtsanwalt aus Düsseldorf und Präsident des NRW-Tierschutzverbandes, auf Anfrage der WAZ. Der Zeitfaktor spiele dabei jedoch eine wichtige Rolle: „Das muss unverzüglich erfolgen.“
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Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus hatte K. jedoch die Hoffnung, Lucky doch noch zurückzubekommen. Obwohl das Tierheim ihn als Hundehalter offenbar für ungeeignet gehalten habe, sei er auf die Möglichkeit verwiesen worden, sich auf seinen eigenen Hund schriftlich zu bewerben, sagt der Herner. Dem Hinweis kam er in einem längeren Brief nach, in dem er unter anderem sogar eine „Inspektion“ in seiner Wohnung anbot. Ergebnis der Bewerbung: siehe oben.