Herne. Ein sehr junger Bochumer raubt in Herne mit zwei Komplizen andere Jugendliche aus. Wie geht man mit nicht-strafmündigen Tätern um?

Da glaubte man erst einmal an einen Tippfehler: Aber die Angaben im Polizeibericht stimmten. Ein Zehnjähriger, ein 13-Jähriger und ein 15-Jähriger raubten zwei kaum älteren Jugendlichen auf dem Marktplatz in Röhlinghausen ihre Kopfhörer. Der Fall vom 13. Februar, dem jungen Bochumer und seinen zwei Herner Komplizen sorgte kurzfristig für Schlagzeilen. Aber was wird aus so jungen Straftätern?

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Kind oder Erwachsener: So bewertet die Polizei Straftaten

Grundsätzlich werde jede Straftat erst einmal verfolgt, erklärt Polizeisprecher Marco Bischoff. „Wir haben einen Strafverfolgungszwang, unabhängig davon, wie alt ein Täter ist. Wir bewerten das gar nicht.“ Deshalb gelten für Kinder mindestens die gleichen Rechte wie für jeden anderen Verdächtigen auch: „Auch Kinder und Jugendliche haben ein Zeugnisverweigerungsrecht“, sagt Bischoff. „Über die Strafmündigkeit entscheidet dann die Justiz.“ Kinder und Jugendliche im Alter unter 14 Jahren gelten in Deutschland als nicht strafmündig, können also unmittelbar für ihre Taten nicht belangt werden.

Eine Besonderheit sei, dass ein Kind, das eine Straftat begeht, nach der Aufnahme der Personalien nicht einfach nach Hause gehen dürfe. Bischoff: „Wir lassen die Kinder vor Ort nicht gehen. Wir übergeben Sie immer den Erziehungsberechtigten.“ Je nach vorgeworfener Tat könne es auch eine Information an das Jugendamt geben. Spätestens, wenn die Staatsanwaltschaft einen Fall wegen Strafunmündigkeit einstellt, wird dann das Jugendamt informiert.

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Sexualdelikte und Wohnungseinbrüche: Diese Straftaten begehen Kinder in Herne

Nicht selten treffen die Beamten schon bei deutlich Minderjährigen auf kriminelle Karrieren von Klau-Kids. Kinder machen in der Kriminalstatistik einen erkennbaren Anteil der Täterschaft aus. In manchen Kriminalitätsfeldern sind das in Herne gut zehn Prozent der Täter.

Kinder treten bei bestimmten Straftaten besonders in Erscheinung, zeigt der Blick in die zuletzt veröffentlichte Polizeistatistik von 2022: Das sind Sachbeschädigung (10 Prozent), Straßenkriminalität (10 Prozent) Gewaltkriminalität (7,3 Prozent) Körperverletzung (5,8 Prozent) und Wohnungseinbrüche (5 Prozent). Sogar 11,4 Prozent der Sexualstraftaten wurden von Kindern verübt. Die Zahlen decken sich mit denen anderer Städte.

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Der richtige Ton ist entscheidend, wenn es zur Straftat gekommen ist

Häufig haben bereits Kinder an der Grenze zur Strafmündigkeit eine längere kriminelle Karriere hinter sich, werden vielleicht sogar von Erwachsenen angestiftet, Straftaten zu begehen. Im konkreten Fall des Zehnjährigen und seiner Mittäter sei das wohl nicht so: „Wir haben keine Erkenntnisse, dass die Verdächtigen vorbelastet sind“, sagt Polizeisprecher Jens Artschwager.

Ein Unterschied zu Erwachsenen: Kinder können nur angehört werden, sie werden aber nicht im rechtlichen Sinne vernommen. Ohnehin versuche man gerade bei sehr jungen Straftätern eine altersgerechte Ansprache hinzubekommen. Die Erfahrung zeigt, dass der richtige Ton entscheidend sein kann. „Das ist sehr situationsabhängig“, betont Bischoff.

Ein einziger Ausrutscher oder der Beginn einer kriminellen Karriere?

Wird ein Ersttäter zum Kriminellen oder bleibt es der sprichwörtliche jugendliche Ausrutscher? Darüber entscheidet auch der Umgang mit der Tat.

Die Annahme, dass man sich als Unter-14-Jähriger im strafrechtlichen Sinne alles erlauben könne, kann später zum Bumerang werden. „Die Justiz kann auch durchaus mal den Blick zurück werfen“, sagt Bischoff. Das bestätigt auch die Staatsanwaltschaft. Oberstaatsanwalt Paul Jansen betont, dass bei strafmündigen Jugendlichen erst einmal nicht der Sühnegedanke, sondern der erzieherische Aspekt im Vordergrund stehe. Es gebe zahlreiche erste Schritte, auf Jugendliche pädagogisch einzuwirken.

Eine Jugendstrafe werde später auch nur dann ausgesprochen, wenn eine „schädliche Neigung“ festgestellt werden kann. Um das zu beurteilen, könne man dann eben auch auf die Kinderzeit schauen. Wird die schädliche Neigung attestiert, dann ist das Jugendstrafrecht konsequent: Eine Jugendstrafe betrage dann mindestens sechs Monate, weil man nur auch bei dieser Zeit auch die pädagogische Wirkung erhoffe.

Erst vor einigen Wochen hatten zwei erst 13 und 14 Jahre alte Jugendliche in Herne einen Oldtimer gestohlen und einen schweren Unfall verursacht.