Herne. In Herne gibt es mit dem St.-Anna-Hospital und dem Marien-Hospital zwei Geburtsstationen. Eine ist deutlich kleiner, aber auch rentabel?

Wie lange leistet sich die katholische Elisabeth-Gruppe noch zwei Geburtsstationen in Herne? Die Geburtenzahlen im Marien-Hospital lagen zuletzt deutlich unter der Grenze, die oft von anderen Kliniken als Maßstab für Wirtschaftlichkeit angegeben wird. Die Geschäftsführung der Klinik sieht auf WAZ-Nachfrage keinen Handlungsbedarf. Auch der Krankenhausverband sieht eine Geburtenzahl als Wirtschaftlichkeitsgrenze. Aber wie hoch ist sie?

  • Aktuell nur deutlich dreistellige Geburtenzahlen im Marien-Hospital
  • Elisabeth-Gruppe betreibt Verbund von Geburtskliniken
  • Klinikverband sieht Mindest-Geburtenzahl für Rentabilität
  • Elisabeth-Gruppe lässt sich nicht in die Karten blicken

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Dreistellige Geburtenzahlen über mehrere Jahre hinweg

„Eine Zusammenlegung der Geburtshilfen des St. Anna Hospital Herne und des Marien Hospital Herne ist nicht geplant“, sagt Sabine Edlinger, Geschäftsführerin der Elisabeth-Gruppe. Das Marien-Hospital hatte am 23. Oktober die 500. Geburt des Jahres gefeiert. Die Geburtenzahlen der vergangenen Jahre waren konsequent dreistellig, zuletzt 2022 bei 624. Im St.-Anna-Hospital waren es 1154.

Bei Schließungen in den vergangenen Jahren – sei es im Bergischen, im Sauerland oder selbst in einer Großstadt wie Köln – wurde gerne die Zahl von 1000 Geburten jährlich von den Trägern als Wirtschaftlichkeitsgrenze genannt. Demnach müsste man sich um das Angebot im Marien-Hospital Sorgen machen. Auf konkrete Nachfragen zur Wirtschaftlichkeit geht Edlinger nicht ein. Auf Nachfrage beantwortet die Klinik auch nicht, was man vielleicht besser macht als andere Häuser, um auch mit geringeren Zahlen wirtschaftlich zu sein.

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Das Marien-Hospital in Herne: Hier gibt es vergleichsweise wenige Geburten.
Das Marien-Hospital in Herne: Hier gibt es vergleichsweise wenige Geburten. © FFS | Jürgen Theobald

Träger gehört mit allen drei Häusern zu den größten Geburten-Anbietern in NRW

Fest steht: Kaum ein Träger in Nordrhein-Westfalen hat so hohe Geburtenzahlen wie die Elisabeth-Gruppe an allen Standorten zusammen. Im Wanne-Eickeler St.-Anna-Hospital sind es jährlich deutlich über 1000 Geburten. Am Standort Witten mit der angegliederten Kinderstation kommen jährlich etwa 3000 Kinder auf die Welt. Das gemeinsam mit Wanne-Eickel betriebene Zentrum für Frauenheilkunde und Geburtshilfe spiele bei den Zahlen unter den Top 10 in Deutschland mit, betonte die Klinik in den Vorjahren. Klar erkennbar innerhalb der Gruppe: Je besser die Ausstattung, desto höher die Zahlen.

Im Herner Marien-Hospital gibt es aktuell einen Kreißsaal mit ärztlicher Begleitung und einen rein hebammengeführten Kreißsaal. Beides werde auch weiterhin parallel angeboten, versichert Simone Edlinger. „Jeder Kreißsaal kann sowohl als konventioneller als auch als hebammengeführter Kreißsaal genutzt werden.“ Im klassischen Kreißsaal seien Entbindungen unter ärztlicher Leitung gemeinsam mit einer Hebamme möglich. Edlinger: „Schwangere ohne Vorerkrankungen und mit einer komplikationslosen Schwangerschaft haben auch die Wahlmöglichkeit eines hebammengeführten Kreißsaals mit der Sicherheit einer ärztlichen Versorgung im Notfall. Hier wird die Geburt ausschließlich von einer Hebamme betreut.“ Was das wirtschaftlich heißt, lässt Edlinger offen. Eine Prognose für die Geburtenzahlen kommender Jahre geben die Kliniken auf Nachfrage nicht ab.

Das St.-Anna-Hospital in Herne. Hier gibt es die meisten Geburten. Im Jahr 2022: 1154.
Das St.-Anna-Hospital in Herne. Hier gibt es die meisten Geburten. Im Jahr 2022: 1154. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Krankenhaus-Verband: Mindestzahl an Geburten für wirtschaftliche Tragfähigkeit

Die Krankenhausgesellschaft NRW nennt auf Nachfrage keine konkrete Mindestanzahl von Geburten für den Erhalt von Geburtsstationen, allerdings gebe es diese für jede Klinik: „Die Tatsache, dass mehrere Krankenhäuser in den vergangenen Jahren ihre Geburtshilfe-Abteilungen schließen mussten, verdeutlicht die eklatante Unterfinanzierung in diesem Bereich. Denn die in der Geburtshilfe bisher gezahlten Fallpauschalen führen dazu, dass die Abteilungen eine Mindestzahl an Geburten pro Jahr erreichen müssen, um wirtschaftlich tragfähig zu sein“, sagt Matthias Blum, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW), auf Nachfrage.

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Alleine durch die Vergütung für Geburten sei eine Geburtsstation selten zu finanzieren. „Krankenhäuser mussten und müssen dieses Minus häufig durch Erlöse aus anderen Bereichen auffangen, um die Versorgung in ihrer Region stabil zu halten“, sagt Blum. Zum Hintergrund: Der Vergütungskatalog sieht für eine normale Geburt gut 2300 Euro vor, für einen Kaiserschnitt 3200 Euro. Das ist in einem bundesweit einheitlichen Fallpauschalen-Katalog festgehalten, den sogenannten DRG („Diagnosis Related Groups“). Dazu gibt es für die Kliniken noch die Pflegepersonalkostenvergütung.

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Klinik-Lobbyverband lobt Initiative für Förderungen

Grundsätzlich sei es zu begrüßen, dass die Bundesregierung Geburtshilfen unterstütze: „Damit ist ein erster Schritt getan, diese Bereiche wirtschaftlich zu konsolidieren“, erklärt die Krankenhausgesellschaft und übt aber zugleich scharfe Kritik: „Dass die dafür verwendeten Mittel von rund 400 Millionen Euro den Krankenhäusern vorher bei den übrigen Fallpauschalen gestrichen wurden, enttarnt den als generöse Wohltat vermarkteten Akt des Bundesgesundheitsministers aber als Umverteilung zu Lasten der allgemeinen Versorgung. Die Krankenhäuser bezahlen es also faktisch selber.“

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Zu begrüßen sei aber, dass das Land flächendeckend für ein ausreichendes Angebot sorgen wolle: „Die Unterstützung der Landesregierung für Hebammenkreißsäle leistet dafür einen wichtigen Beitrag.“ Auf reichlich Fördermittel wie bei vielen Kliniken im Sauerland oder am Niederrhein kann man sich in Herne allerdings nicht verlassen. Diese gibt es oft nur, wenn die Kliniken als „bedarfsnotwendig“ erklärt werden. Die Definition dafür: „... wenn bei ihrem Wegfall mindestens eine Frau im Alter zwischen 15 und 49 Jahren PKW-Fahrzeiten von mehr als 40 Minuten aufwenden müsste, um das nächste geeignete Krankenhaus zu erreichen“.