Herne. Inflation oder Ungewissheit durch zwei Kriege: Nicht die besten Voraussetzungen für das Weihnachtsgeschäft. Dieses Fazit ziehen Herner Händler.

Die Adventszeit ist die wichtigste Zeit im Jahr für Einzelhändler. Dann wird in manchen Branchen ein guter Teil des Jahresumsatzes gemacht. Doch die Voraussetzungen waren diesmal nicht die besten. Dieses Fazit ziehen einige Herner Händler.

Neben der Inflation und den kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine und in Nahost spielte auch diesmal eine verkürzte Adventszeit eine Rolle. Dadurch, dass der Heiligabend auf einen Sonntag fiel, fehlte dem Handel eine Woche, um Umsatz zu machen - auf der anderen Seite kann man davon ausgehen, dass die ersten Weihnachtsgeschenke schon in der sogenannten „Black Week“ im November - in der der Handel mit Sonderangeboten um sich wirft - gekauft werden.

Gruseliges Regenwetter dämpfte die Geschenk-Kauflaune

Buchhändlerin Elisabeth Röttsches macht zudem, wie andere Herner Händler auch, auf den gruseligen Dauerregen in der Woche vor Heiligabend aufmerksam. Das habe wohl einige Kundinnen und Kunden davon abgehalten, in der Stadt nach Geschenken zu suchen. Dennoch: Die letzte Woche sei durchaus lebhaft gewesen, allerdings nicht so turbulent wie in vergangenen Jahren. Dafür hat Röttsches eine Art Nachholeffekt gespürt. In der Woche zwischen den Feiertagen sei deutlich mehr Betrieb im Geschäft an der Bebelstraße gewesen als gewöhnlich. „Viele Kunden kommen auch jetzt noch und ziehen den Geschenkekauf quasi nach“, so Röttsches im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Unter dem Strich sei sie zufrieden mit dem Weihnachtsgeschäft.

Einen Winterschlussverkauf mache sie im klassischen Sinne nicht, zumal Bücher ja der Buchpreisbindung unterliegen. Doch Röttsches‘ Sortiment ist inzwischen deutlich größer und umfasst auch Wohn-Accessoires. Sie habe verschiedene Dinge reduziert, um auch schon Platz für die Frühlingsware zu machen.

Die Mayersche Buchhandlung hat dagegen so etwas wie einen WSV gestartet, an der Eingangstür lockt ein Schild mit hohen Preisnachlässen. Dabei handele es sich unter anderen um klassische Weihnachtsware, so Philip Szykulla, der stellvertretende Filialleiter. Das Weihnachtsgeschäft selbst bezeichnet er als „sehr gut“. Das sollte es auch besser sein, denn im Buchhandel würde es ein gutes Drittel zum Jahresumsatz beitragen.

Für Jens Rohlfing ist nach dem Weihnachtsgeschäft vor dem Schlussverkauf.
Für Jens Rohlfing ist nach dem Weihnachtsgeschäft vor dem Schlussverkauf. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Auch für Weinhändler sind die Feiertage am Ende des Jahres eminent wichtig. Da habe die kurze Adventszeit und die verregnete letzte Woche schon geschmerzt, so Richard Gerdesmann (Meimberg). „Doch unter dem Strich können wir uns nicht beschweren, die Kunden haben uns die Treue gehalten, sodass wir zufrieden sind.“ Das hört sich bei Jens Rohlfing, Inhaber des Weinhauses Wanne, etwas anderes an. Der Umsatz im Weihnachtsgeschäft habe rund 20 Prozent unter dem eines normalen Jahres gelegen. Insgesamt betrachtet sei 2023 noch einigermaßen zufriedenstellend, das liege auch am sehr guten Geschäft mit der Belieferung der Gastronomie und am Onlinehandel. Nach dem Weihnachtsgeschäft ist für Rohfling vor dem Schlussverkauf - was in diesem Fall ein Räumungsverkauf ist. Rohlfing gibt das Ladenlokal in Eickel auf, ab 8. Januar beginnt der Abverkauf der Ware zu reduzierten Preisen.

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Auch Nicole Hoffmann „kann sich nicht beklagen, auch wenn ich mir mehr vom Weihnachtsgeschäft versprochen habe“. Deshalb habe sie auch schon vor Weihnachten damit begonnen, Winterware zu reduzieren, zumal die ersten Kunden nach Frühlingssachen gefragt hätten. Hoffmann hat Anfang Oktober auf der Bahnhofstraße im Rahmen des NRW-Sofortprogramms für Innenstädte die Boutique „Nicki‘s Fashion“ eröffnet. Das Geschäft sei gut angelaufen, deshalb habe sie den Mietvertrag nach Auslaufen der Förderung auch zu den normalen Konditionen verlängert.

Ein Händler in Herne führt noch den klassischen Winterschlussverkauf durch. Hier ein Foto aus dem Jahr 1990.
Ein Händler in Herne führt noch den klassischen Winterschlussverkauf durch. Hier ein Foto aus dem Jahr 1990. © WAZ

Ein Geschäft veranstaltet den klassischen Winterschlussverkauf

Hoffmann hat schon vor Heiligabend mit dem Ausverkauf begonnen, auch in und an verschiedenen anderen Schaufenstern sieht man mehr oder weniger große Sale-Schilder. Doch es gibt noch ein Geschäft, dass nach wie vor den klassischen Winterschlussverkauf durchführt: das Textilhaus Dieler.

Der starte ganz klassisch am letzten Montag im Januar und dauere zwei Wochen, so Stephan Dieler, geschäftsführender Gesellschafter, im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. „Das war bei uns schon immer so, und das bleibt auch so.“ In den zwei Wochen werde die Winterware zu Angeboten verkauft, die es in dieser Form sonst nicht gebe. Auch die Öffnungszeiten seine die klassischen WSV-Zeiten. Die Türen öffnen sich um acht Uhr morgens. Wie der Andrang sei, hänge nicht zuletzt vom Wetter ab. „Aber im Normalfall sind um acht Uhr auch die ersten Kunden da.“ Für Dieler ist trotz aller anderen Angebote und Aktionen der WSV das i-Tüpfelchen, das sich auch lohne. Er hält nichts vom Verwässern der Angebotstermine. „Wir denken, dass die klassischen Termine immer noch in vielen Köpfen sind. Und das sind nach unserer Meinung gute Termine für Sonderaktionen.“