Herne. Eine naturnahe und ökologische Bestattung im Wald oder Grüngebiet: Trotz Widerständen bei der Stadt könnte das in Herne bald Wirklichkeit werden.
In anderen Städten werden naturnahe Bestattungen in einem Fried- oder Ruhewald immer beliebter. Und auch in Herne wird die Forderung nach Einführung einer solchen Bestattungsform immer lauter. Die Politik hat die Stadt nun mit einer Prüfung beauftragt. Innerhalb der Verwaltung gibt es jedoch Widerstände.
Der erste Aufschlag wurde in der Bezirksvertretung Sodingen gemacht. Die SPD hatte dort die Initiative von Bürgerinnen und Bürgern aufgegriffen und eine entsprechende Anfrage nach Einführung gestellt. In der Sitzung des Bezirks warnte Stadtgrün-Chef Heinz-Jürgen Kuhl jedoch ausdrücklich vor einer solchen Bestattungsmöglichkeit auf städtischen Flächen und begründete dies mit drohenden „deutlichen Gebührenerhöhungen“.
Im Gespräch mit der WAZ konkretisierte er seine Bedenken. Er könne zwar durchaus nachvollziehen, dass es eine entsprechende Nachfrage für diese „sehr schöne Bestattungsform“ gebe. Und es handele sich zudem um eine relativ günstige Bestattungsform. „Man muss aber überlegen. Was passiert nach der Einführung?“, fragt Heinz-Jürgen Kuhl.
Seine Prognose: Es würde eine „Wanderung“ von bisherigen Bestattungsformen zu dieser Bestattungsart stattfinden. „Wir haben sehr viel Geld in die Kolumbarien und in die Grabkammern investiert. Wenn wir dort noch weitere Bestattungen ,rausziehen‘, setzen wir eine Gebührenspirale nach oben in Gang, die wir nicht mehr zurückdrehen könnten“, sagt der zum Jahresende in den Ruhestand tretende Stadtgrün-Chef. Der Stadt Herne gingen dann Einnahmen verloren, die nur durch mehr Bestattungen oder durch höhere Gebühren ausgeglichen werden könnten. Und: „Schon jetzt belasten Entscheidungen der Vergangenheit die Herner im Friedhofsbereich mit einem Drittel der Gebühren. Das ist ein großes Problem.“
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Und was ist, wenn ein Privater in Herne aktiv wird und der Stadt mit einem Friedwald das Wasser abgräbt? „Die Gefahr ist grundsätzlich da. Es gibt derzeit aber keine Anzeichen dafür“, sagt Kuhl. Herne habe eine ähnliche Situation schon einmal erlebt: Nach der Schließung des Ostfriedhofs sei direkt nebenan ein privat betriebener Friedhof entstanden. „Man redet nicht so direkt darüber, aber natürlich sind privat betriebene und konfessionelle Friedhöfe Konkurrenz für uns.“
Politik: Verwaltung soll Einrichtung eines Bestattungswaldes prüfen
Durch zusätzliche Grabarten stürben jedoch nicht mehr Menschen. Das bedeute aber auch: „Je mehr Anbieter von Friedhöfen es in der Stadt gibt, desto instabiler werden die Gebühren.“ Es gebe noch weitere Unsicherheitsfaktoren: „2024 starten wir in Horsthausen mit den Indoor-Kolumbarien. Und wir haben die Situation, dass in zwei Jahren auf dem Südfriedhof die ersten Kolumbarien nach 15-jähriger Laufzeit verlängert werden müssten. Wir wissen heute aber noch gar nicht, wie viele Menschen davon Gebrauch machen werden.“
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Eine Argumentationslinie, der die SPD und Bezirksbürgermeister Mathias Grunert mit Blick auf das Interesse von Bürgerinnen und Bürgern bereits in der Sitzung in Sodingen nicht ganz folgen wollten. Das gilt offenbar für alle Ratsparteien: Der Planungsausschuss hat inzwischen auf Antrag der Grünen in einem einstimmigen Beschluss die Stadt mit einer Prüfung beauftragt.
Im Wortlaut: „Die Stadtverwaltung wird beauftragt, Varianten zur Einrichtung und Betrieb eines Bestattungswaldes in einem geeigneten städtischen Waldgebiet bzw. Freigabe von Gedenkbäumen und ein Konzept zur Einführung weiterer Bestattungsarten (zum Beispiel nicht-anonyme Baumbestattungen) auf städtischen Friedhöfen zu prüfen und zu erarbeiten sowie einen entsprechenden Arbeitskreis zu bilden.“ Dabei sollten ökologische und gebührentechnische Aspekte besonders berücksichtigt werden.
>>> Waldbestattung: Metalltäfelchen am Baum mit Namen und Lebensdaten
- Bei einer Waldbestattung wird auf Kränze und den üblichen Grabschmuck verzichtet. Auf Wunsch können auf kleinen Metalltäfelchen Namen und Lebensdaten eingraviert werden, die dann an Bäumen angebracht werden. Urnen für die Asche der Verstorbenen sind ökologisch abbaubar.
- In der Nähe von Herne gibt es den privat betriebenen Ruheforst in Herten-Westerholt sowie den städtischen Friedwald Hagen-Philippshöhe. In einigen Kommunen sind naturnahe Bestattungen auch auf städtischen Friedhöfen möglich, so zum Beispiel in Bochum.