Herne. Sind die Wanner und die Herner Innenstadt als Einzelhandels- und Gastronomiestandorte zukunftsfähig? Das sagen Experten, das sind die Pläne.
Von Verödung keine Spur: „Die Bahnhofstraße funktioniert, und sie hat gute Aussichten.“ Dieser Überzeugung ist Einzelhandelsexperte Gisbert Schneider, der in den vergangenen Jahren die Entwicklung des Handels in der Herner City begleitet hat. In Wanne bietet sich ein gemischtes Bild.
Schneider macht seine Zuversicht an verschiedenen Punkten fest: So hat er unter anderem verschiedene Filialisten gefragt, wie sie die Herner Innenstadt beurteilen. Die Rückmeldung: Der Sneaker-Anbieter JD Sports sei „superzufrieden“, ähnlich sei die Einschätzung bei Leder Berensen. Eine andere Kennziffer ist die Leerstandsquote. Die sei in den vergangenen Jahren von 8,5 auf 4,3 Prozent gesunken. Und die Nachfrage für weitere Ansiedlungen sei durchaus vorhanden, allerdings fehle einerseits die passende Fläche, andererseits seien die Mietvorstellungen der Eigentümer zu hoch. Vielleicht könnte die Leerstandsquote noch niedriger sein, wenn es nicht zwei Problem-Immobilien auf der Bahnhofstraße gebe. Schneider verhehlt allerdings auch nicht, dass es angesichts der allgemeinen schwierigen Lage des Einzelhandels auch „Wackelkandidaten“ gibt.
Ein differenziertes Bild zeichnet Schneider von der Wanner Innenstadt. Es gebe auf der Hauptstraße ein etwa 400 Meter langes Teilstück vom Buschmannshof bis zur Haydnstraße, das als Fußgängerzone definitiv eine Daseinsberechtigung und gute Zukunftsaussichten habe. Schneider macht das an der Tatsache fest, dass das Kaufhaus Woolworth nach langen Vorwehen im kommenden Jahr tatsächlich eröffnen werde und der Textlidiscounter NKD ein passendes Ladenlokal sucht. Die Filiale in Eickel hat NKD inzwischen wieder aufgegeben. Nördlich der Haydnstraße sei das Bild jedoch eher trostlos. Es gebe keine Nachfrage von Filialisten für diesen Abschnitt. Und für die ein oder andere Nutzung seien die Schaufenster unansehnlich zugeklebt worden.
Die NRW-Landesregierung hatte im Zuge der Corona-Krise mit den Lockdowns im Oktober 2021 ein Sofortprogramm zur Stärkung der Innenstädte aufgelegt, das Ende dieses Jahres ausläuft. Ziel war unter anderem die Anmietung von fünf leeren Ladenlokalen (drei in Herne-Mitte, zwei in Wanne), bei denen der Mieter nur 20 Prozent der letzten Miete überweisen muss. Dafür gab es 74 Interessenten, nun werden lediglich zwei Mieter über den Förderzeitraum zu normalen Mietkonditionen weitermachen: das Sozialkaufhaus Brockenhaus in Wanne und die Boutique Nicki‘s Fashion in Herne. Das sieht zunächst bescheiden aus, doch für Herner Wirtschaftsförderer Dirk Drenk ist das Glas „halbvoll“. Der Grund: Die WFG habe nicht komplett auf die Karte Anmietung gesetzt, sondern habe mit den Fördergeldern die Aktivitäten von Gisbert Schneider finanziert und ab Juni 2023 die Progacon ins Boot geholt, um Konzepte für neue Gastronomie in den Innenstädten zu entwickeln.
Gastronomie ist nach Handel der zweite Grund für einen Innenstadtbesuch
Grundsätzlich werde Gastronomie immer wichtiger, um Menschen in die Innenstädte zu holen. Das Institut für Handelsforschung in Köln habe ermittelt, dass im Jahr 2022 mehr als 30 Prozent aller Befragten angegeben hätten, dass Gastronomie der Grund für einen Besuch in der Innenstadt gewesen sei, so Geschäftsführer Holger Madel im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Mit einer Umfrage habe sich Progacon einen ersten Überblick über die Situation in Herne verschafft. Die ersten Ergebnisse: Gastronomie ist in Herne-Mitte nach dem Einkaufen der zweite Grund für einen Besuch, in Wanne steht sie dagegen nur an Nummer sechs; die Menschen wünschen sich mehr Gastronomie und mehr Vielfalt; Herne hat aus Sicht der Befragten keinen gastronomischen Stellenwert, und die Gastronomie biete in Summe zu wenig Atmosphäre; es fehlten Alleinstellungsmerkmale, die Szene der Schnellrestaurants und Imbisse sei zu ausgeprägt; die Zentren hätten keine Abendfrequenz, das Eventangebot sei zu gering. Darüber hinaus gebe es zu wenig Angebote für Jugendliche und junge Erwachsene. Auffällig: Bei Akteuren der Gastronomiebranche wird Herne-Mitte laut Madel als neutral bewertet, Wanne stoße häufig auf Ablehnung.
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Auf Basis dieser Befragung und der Sichtung der Örtlichkeiten wird Progacon Konzepte entwickeln, wie Gastronomie zum Beispiel Plätze in den Innenstädten beleben kann. Darüber hinaus gebe es jetzt schon erste greifbare Fortschritte. Mit zwei Immobilieneigentümern in Herne liefen Gespräche über die Ansiedlung von Gastronomie.