Herne. Der Kiosk ist ein Klassiker, doch am Kiosk, den die Stadt im nächsten Jahr einrichtet, gibt es keine Klümpchen, sondern Beratung für Familien.
Er ist einer der Klassiker im Ruhrgebiet: der Kiosk. Auch beim Angebot gibt es einen Klassiker: die gemischte Tüte. Die Stadt Herne legt im kommenden Jahr ein Projekt auf, bei dem in der gemischten Tüte jede Menge Hilfe und Beratung für Familien steckt. Sie richtet einen sogenannten „Familienkiosk“ ein. Nun steht fest, wo er öffnet und wer mitmacht.
Zunächst die Diagnose, die den Impuls für die Einrichtung gegeben hat: Die Stadt Herne sehe bei Kindern und Jugendlichen eine deutliche Zunahme von Verhaltens- und Entwicklungsstörungen, so Dr. Angelika Burrichter, Leiterin des Fachbereichs Gesundheit. Ursachen seien in vielen Fällen soziale Probleme, wie Flucht und Zuwanderung, psychische Probleme in den Familien, oder auch das Fehlen von Zusammenhalt und Fürsorge in den Familien. Das wirke sich auf die weitere Entwicklung der Kinder aus. Je früher man passgenaue Angebote mache, desto höher seien die Aussichten auf eine bessere Entwicklung und auf ein gesundes Aufwachsen. Das große Problem: Viele Familien seien gar nicht in der Lage, die vielfältigen Angebote, die es jetzt schon in Herne gebe, in Anspruch zu nehmen. Burrichter: „Schon eine Terminvereinbarung oder ein zusätzlicher Weg können zur Hürde werden.“ Eine weitere Hürde: Das Hilfesystem sei so zergliedert, dass sich viele Menschen darin gar nicht zurechtfinden.
Ein Ort des offenen Ohres und der unbürokratischen Hilfe
Deshalb sollen an einem Ort verschiedene Hilfs- und Versorgungsangebote zusammengeführt werden: im Familienkiosk. Dieser soll im kommenden Jahr im Kaiserquartier entstehen - und das in unmittelbarer Nähe zur Kinderarztpraxis „Paedicum Ruhrkidz“. Die wird ihren Standort vom Herner Bahnhof ins Kaiserquartier verlagern und sich dort auch deutlich vergrößern. Burrichter: „Es soll ein Ort des offenen Ohres und der unbürokratischen Hilfen entstehen.“
Dr. Lars Vogler, Leiter von „Paedicum Ruhrkidz“, bestätigt Burrichters Diagnose. In der Pandemie seien Kinder und Jugendliche auf der Strecke geblieben. So würden bei Kindern, die eingeschult werden, bestimmte Kernkompetenzen fehlen. Kinderärzte würden alle Kinder in Herne sehen, da Vorsorgeuntersuchungen verpflichtend seien und überwacht würden. Deshalb seien die Praxen ein logischer Kooperationspartner für den Kiosk. Auch die Praxis von Dr. Anja Schulenburg ist bereits mit im Boot.
Für Gesundheits-Dezernentin Stephanie Jordan passt die Bezeichnung Kiosk für das neue Angebot deshalb so gut, weil man dort ohne Termin einfach mal reinschneien könne, an dem man auch mal länger bleiben könne. In der neuen Einrichtung könne die Fülle an Angeboten und Zuständigkeiten gebündelt werden.
Herzstück des Kiosks soll ein sogenannter Familienlotse sein, der Familien aufnimmt und sie in die richtigen Bahnen für die Hilfe lenkt. Mit der Einrichtung nehme Herne ein Gesetzesvorhaben von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf, der in den kommenden Jahren rund 1000 Gesundheitskioske schaffen will, so Burrichter. Doch im Vergleich zu anderen Städten, die sie auch schon auf den Weg gemacht haben - z.B. Bochum und Gelsenkirchen - lege Herne einen Schwerpunkt auf Familien, um diese zu stärken. Bis es losgeht, dauert es allerdings noch einige Monate. Das Kaiserquartier befindet sich noch im Bau, im Oktober 2024 könnten sich die Türen öffnen.
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Für Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda ist dieses Projekt richtungsweisend und habe mit dem Fokus auf Familien regionale Strahlkraft Für den OB ist der Gesundheitskiosk ein weiterer Baustein, um den Gesundheitssektor in Herne weiter auszubauen. Schon jetzt arbeiteten 13,5 der Beschäftigten in Herne im Gesundheitswesen. Im kommenden Jahr könnte diese Zahl weiter steigen.