Herne. In Herne bittet der neue Stadtelternrat die Stadt, trotz Hunderter fehlender Kita-Plätze keine neuen Kitas zu bauen. Was dahintersteckt.

Das klingt im ersten Moment völlig absurd: Die neu gewählte stadtweite Elternvertretung der Kitas fordert, dass in Herne keine neuen Kitas mehr gebaut werden sollen. Wie passt das zusammen mit der Sorge vieler Eltern, einen Kita-Platz für ihr Kind zu bekommen und der bekannten Problematik, dass in Herne Hunderte dieser begehrten Plätze fehlen?

„Die Stadt sollte nicht immer mehr Kitas bauen und Plätze schaffen, solange es nicht genug Personal gibt“, sagt Marcel Jedner, Vorsitzender des Jugendamtselternbeirates (JAEB), der erst kürzlich von den Elternbeiräten aller Kitas in Herne gewählt wurde. „Damit schafft man sich selbst ein Problem.“ Schon jetzt sei die Personaldecke in den Kitas so dünn, dass viele Eltern von Kita-Kindern nur verkürzte Betreuungszeiten haben oder sogar dauerhaft wegen Notbetreuungen in den Kitas, ihre Kinder zu Hause hätten.

Kita in Herne: Notbetreuung seit etwa zwei Monaten

So erzählt Jedner von einem Beispiel, in dem ein Kind seit August in eine Kita gehe, erst eingewöhnt werden musste, und kaum sei das gelungen, habe die Kita auf Notbetreuung umstellen müssen. Die Folge: Seit Oktober ist das Kind nicht mehr in der Kita gewesen. Für die Eltern eine Katastrophe. Die Eingewöhnung wird wohl wieder fast von vorne losgehen, wenn es endlich wieder in die Kita kann. Vielleicht helfe es, die Notbetreuung anders zu organisieren und nicht nur Berufstätige zu unterstützen, sondern ein rotierendes System einzuführen, damit jedes Kind mal in die Kita kann, schlägt Jedner vor. „Der Unmut der Eltern ist groß.“

„Die Personalsituation ist deutlich schlechter geworden“, beobachtet Jedner, der sich bereits vor acht Jahren im Jugendamtselternbeirat engagierte. Seine neue Stellvertreterin, Jennifer Domoglou, stimmt ihm zu: „Es bringt nichts, neue Plätze zu schaffen, solange das Personal nicht da ist und woanders abgezogen wird.“ Die Kinder würden in den Einrichtungen dann nur noch verwahrt werden können.

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Das Problem der Notbetreuung wird auch von vielen Teilnehmern des großen WAZ-Familienchecks als Problem angeführt. Dabei hat die WAZ in einer Online-Befragung im ganzen Revier Eltern zu verschiedenen Familien-Themen befragt – so auch zur Betreuung. Insgesamt 429 Hernerinnen und Herner haben sich an der Befragung beteiligt. Sie konnten anonym sowohl Schulnoten vergeben als auch Kommentare schreiben.

Darin wird als Problem immer wieder die verkürzte Betreuungszeit oder gar Notbetreuung in Kitas aufgeführt. Außerdem wird die Forderung geäußert, dass wenn schon die Betreuung nicht in vollem Umfang stattfinde, auch die Kita-Beiträge entsprechend gekürzt werden sollten. Fehlende Kita-Plätze werden ebenso kritisiert wie zu wenig Flexibilität bei den Abholzeiten und die Tatsache, dass die Betreuungskosten in Herne zu hoch seien.

Der Kostenpunkt ist der Aspekt, der in Herne die schlechtesten Noten bekommt (Schulnote 3,5). Hingegen schneidet die Kita-Betreuung insgesamt bei der nicht-repräsentativen Umfrage erstaunlich gut ab (Note 2,1). Besonders die Qualität der Betreuung wird (trotz Personalmangels) mit einer glatten Zwei benotet, wodurch Herne im Revier ganz vorne mitspielt.

Auch der neue Jugendamtselternbeirat würde sich eine finanzielle Entlastung der Eltern wünschen. Gerade in Herne sei die finanzielle Belastung sehr hoch, und so manch ein Berufstätiger oder so manch eine Berufstätige frage sich, wofür sie überhaupt noch arbeiteten, merkt Jedner an. Vor allem aber müsse im Falle von längerer Notbetreuung nachjustiert werden. „Man zahlt Kita-Gebühren, obwohl das Kind nicht in die Kita geht, man zahlt das Essen, obwohl das Kind zu Hause essen muss“, fasst Jedner zusammen. Das gehe nicht. Wobei vor allem die Essensregelung in jeder Kita in Herne anders sei und das Essen bei manchen Einrichtungen abbestellt werden könne.

Der neue Jugendamtselternbeirat möchte mit den Eltern in Herne ins Gespräch kommen und wissen, wo der Schuh drückt. Bei Sorgen können sich Eltern direkt an ihn wenden. Häufig wüssten Eltern gar nicht, welche Rechte sie haben oder wie sie sich richtig einbringen können, so Jedner. Er möchte mit seinen sechs Kolleginnen und Kollegen im JAEB diesen in Herne bekannter machen. Außerdem ist ihm wichtig, dass Eltern wissen, dass sie ehrenamtlich und völlig unabhängig vom Jugendamt tätig seien. Der Name würde für viele Eltern abschreckend wirken. „Das Wort Jugendamt ist negativ belegt und schreckt viele ungemein ab, uns zu kontaktieren“, bedauert der Vorsitzende. Er hofft auf eine gute Zusammenarbeit von Eltern, Kitas und Stadt, um Herne in Sachen Kita-Betreuung weiter nach vorne zu bringen.

Der neue JAEB in Herne

  • Der neue Vorsitzende, Marcel Jedner, ist 38 Jahre alt und kommt aus Wanne-Eickel. Seine zweijährige Tochter besucht die evangelische Kita Wirbelwind in Wanne. Außerdem hat er zwei Söhne, die bereits die Michaelschule und das Gymnasium Wanne besuchen. Von Beruf ist Jedner Kaufmann im Gesundheitswesen.
  • Seine Stellvertreterin, Jennifer Domoglou, ist 34 Jahre alt und wohnt in Holthausen. Ihre vierjährige Tochter besucht das katholische Montessori-Kinderhaus St. Marien in Baukau. Von Beruf ist sie Lehrerin an einer Hauptschule in Gelsenkirchen.
  • Der JAEB ist über Instagram zu erreichen jaeb_herne sowie per E-Mail an jaeb@herne.de. Zudem soll in Zukunft eine Homepage eingerichtet werden.