Herne. Seit zehn Jahren versucht die Herner ISAP AG, ein Grundstück für weiteres Wachstum zu kaufen. Erfolglos. Deshalb überdenkt man nun die Pläne.

Es ist wenige Wochen her, dass die Herner ISAP AG in den Flottmann-Hallen ihr 30-jähriges Bestehen gefeiert hat. Oberbürgermeister Frank Dudda zeigte sich stolz, dass so ein Unternehmen in Herne seinen Sitz hat, und das Motto der Veranstaltung mit rund 270 Gästen lautete: „Gemeinsam bis hierhin – gemeinsam in die Zukunft“. Doch inwieweit die Zukunft der ISAP und Herne gemeinsam verlaufen wird, ist ungewiss.

Der Grund: ISAP-Vorstand Norbert Assen ärgert sich darüber, dass es der Herner Wirtschaftsförderung nicht gelinge, dem Unternehmen ein Grundstück zu verkaufen, um den Firmensitz an der Robert-Bosch-Straße in Baukau zu erweitern. Mögliche Konsequenz: Das angestrebte Wachstum könnte an Herne vorbei gehen und an anderen Orten stattfinden.

Norbert Assen, Gründungs- und Vorstandsmitglied der Herner ISAP AG, ist verärgert, weil er zehn Jahre lang erfolglos versucht hat, ein Grundstück für die Expansion zu kaufen.
Norbert Assen, Gründungs- und Vorstandsmitglied der Herner ISAP AG, ist verärgert, weil er zehn Jahre lang erfolglos versucht hat, ein Grundstück für die Expansion zu kaufen. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Umzug von Tochterunternehmen verschafft etwas Luft

Zur Einordnung: Seit seiner Gründung vor drei Jahrzehnten hat sich die ISAP AG zum weltweit größten Vertriebspartner einer Siemens-CAD-Software entwickelt. Daneben berät das Unternehmen aber auch deutsche Maschinen- und Anlagenbauer bei der Digitalisierung des Produktentstehungsprozesses. In der Kundenliste finden sich unter anderem der Wohnmobil-Produzent Hymer, alle traditionsreichen Uhrenmanufakturen im sächsischen Ort Glashütte sowie die Herner Unternehmen Adams Armaturen und Schwing. Und da es immer noch reichlich Unternehmen gebe, die bei der Digitalisierung erheblichen Nachholbedarf hätten, gebe es genügend Wachstumspotenzial. Die Auftragslage sei so gut, dass man ans kommende Jahr schon einen Haken machen könne, so Assen im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion.

Darüber hinaus entwickelt sich die Firmentochter Diprotec – die unter anderem im Bereich IT-Sicherheit tätig ist – sehr gut und hat inzwischen rund 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Demnächst wird Diprotec ins Kaiserquartier umziehen, was dem Mutterhaus etwas Luft gibt „und wir nicht mehr wie die Hühner auf der Stange sitzen“, so Norbert Assen.

Gespräche laufen seit zehn Jahren mit drei Wirtschaftsförderern

Doch Assen will für weiteres Wachstum räumlich vorsorgen – mit einem Anbau oder Neubau auf der unmittelbar angrenzenden Fläche. Was ihn auf die Palme bringt: Seit mittlerweile zehn Jahren versuche er, das Areal zu kaufen – vergeblich. Schon mit den Herner Wirtschaftsförderern Joachim Grollmann und Holger Stoye habe er darüber gesprochen. „Und immer hat man uns gesagt, dass das alles kein Problem sei, wir sollten uns keine Sorgen machen, es müssten nur noch ein paar Details geklärt werden“, blickt Assen zurück. Zwischenzeitlich sei dann aber aufgefallen, dass das Grundstück der WFG gar nicht gehöre. 2022 meldete die WFG, dass sie die etwa 50.000 Quadratmeter große Fläche gekauft habe – und Assen Hoffnung gemacht hat, dass der Kauf eines Teilstücks nun schneller vorankommt.

Nach dem Wechsel an der Spitze der WFG sei Dirk Drenk als neuer Chef auf Assen zugekommen und habe ihm ein Kaufangebot gemacht. Doch der Quadratmeterpreis habe deutlich über jenen 50 Euro gelegen, die Assen über den sogenannten Bodenrichtwert ermittelt hatte. Auch mehrere Verhandlungsrunden hätten nicht zu einem Ergebnis geführt, bei dem ISAP zugreifen würde. Assen: „Wir sprechen hier von einer nicht erschlossenen Brombeerwiese, die zum Teil mit einer alten Lagerhalle überbaut ist und von der wir nicht wissen, welche Altlasten da noch schlummern.“

Wirtschaftsförderung: Große Nachfrage nach Grundstücken lässt Verkehrswert steigen

Dass die Herner Wirtschaftsförderung einen deutlich höheren Preis für den Quadratmeter als 50 Euro verlange, erklärt WFG-Chef Dirk Drenk unter anderem so: Zu den Aufgaben der WFG gehöre die Unterstützung von heimischen Unternehmen bei der Suche nach Bestandsimmobilien und Grundstücken, damit diese ihre wirtschaftliche Weiterentwicklung in Herne erfolgreich gestalten können. Allerdings werde diese Aufgabe durch eine Gewerbeflächenknappheit nicht nur in Herne erschwert. „Wir bekommen regelmäßig mehr Anfragen von suchenden Unternehmen, als Flächen- oder Immobilienangebote vorliegen“, so Drenk. „Damit steigen auch die Preise für freie Grundstücke.“

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Schon vor dem Kauf des fraglichen Grundstücks sei klar gewesen, dass die an der Robert-Bosch-Straße liegenden Unternehmen ein großes Interesse am Kauf von Erweiterungsflächen gehabt hätten, die an ihre Unternehmen angrenzen. Diesem Wunsch wolle die WFG nachkommen und habe Gespräche mit den Firmen geführt. Neben individuellen Abstimmungsbedarfen bestünden bei der Gesamtentwicklung des Areals eine Vielzahl von Herausforderungen, die bei der Umsetzung durch die WFG zu berücksichtigen seien. „Alle städtischen Tochtergesellschaften und die Stadt Herne selbst sind gehalten, Grundstücke zum Verkehrswert zu verkaufen. Insbesondere, wenn der Direktverkauf an einen Interessenten ansteht“, beschreibt Stadtdirektor Hans Werner Klee das Verfahren.

ISAP-Aufsichtsrat empfiehlt, die Expansion in Herne zu überdenken

Um den Verkehrswert des Grundstücks zu bestimmen, habe die WFG einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens zur Preisermittlung der Erweiterungsflächen beauftragt. „Der Verkaufspreis spiegelt sehr gut die Entwicklung auf dem Immobilienmarkt in Herne wider“, so Drenk. „Wir beobachten den Markt schon länger. Die größere Nachfrage nach vor allem bebaubaren Grundstücken sowie die allgemeine positive Entwicklung Hernes mit Projekten wie der Polizeifachhochschule oder dem Kaiserquartier direkt gegenüber an der Forellstraße lassen die Verkehrswerte steigen“ erklärt der WFG-Chef die Preisgestaltung beim Grundstücksverkauf.

Bei ISAP hat vor wenigen Tagen der Aufsichtsrat getagt. „Er hat empfohlen, dass die Expansion Herne überdacht wird“, so Assen. Das Unternehmen denke jetzt intensiv über Alternativen an dezentralen Standorten nach. Er habe das Gefühl, dass man sich bei der Stadt und der WFG momentan nur um Großprojekte wie die Entwicklung von Blumenthal oder die neue Polizeihochschule kümmere und ein Unternehmen wie die ISAP AG eine zu kleine Nummer sei.