Herne. Lina Atfah, Poetin aus Wanne-Eickel, geht auf Lesereise nach Südamerika. Und: Ihrem preisgekrönten Lyrikband wird eine weitere Ehre zuteil.
Im Frühjahr die Nominierung für den Preis der Leipziger Buchmesse, im September die Auszeichnung mit dem Literaturpreis Ruhr: Wer gedacht hat, das literarische Jahr der Lyrikerin Lina Atfah ist nicht mehr zu toppen, wird nun eines Besseren belehrt: Die Wanne-Eickelerin wird in Kürze ihre Koffer packen für eine Lesereise nach Südamerika. Und damit nicht genug: Ihr preisgekrönter Lyrikband „Grabtuch aus Schmetterlingen“ wird ins Spanische übersetzt.
„Das ist wie ein Traum, der wahr wird“, sagt die 34-Jährige über die zweiwöchige Reise. Am 12. November geht es los in Richtung São Paulo. Am 14. November wird sie an den Tagen der deutschen Literatur an der Universität der brasilianischen Metropole teilnehmen. Ein Workshop und eine Lesung stehen dort auf dem Programm.
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Zweite Station: Chile. „Mehrere Lesungen sind geplant - eine davon im Rahmen des internationalen Poesie-Festivals in Santiago“, berichtet Atfah. Weitere Lesungen finden in chilenischen Städten wie Concepción (auf Einladung des Goethe-Instituts und der Universität), Valparaíso und Temuco im Süden des Landes statt. Der endgültige Plan für Chile stehe aber noch nicht, möglicherweise gebe es noch Verschiebungen, sagt Atfah. Erste Überlegungen für Veranstaltungen in Argentinien ließen sich - diesmal - nicht realisieren.
Wie kam es überhaupt zu dieser kleinen Südamerika-Tournee? „Mario Gomes, portugiesischer Dichter und Übersetzer, hat alles organisiert und mich eingeladen“, berichtet die 2014 aus Syrien nach Deutschland geflüchtete Autorin. Für die Organisation der Brasilien-Lesung habe Gomes mit Christian Ernst vom Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) kooperiert, der auch Gastdozent der Universität São Paulo sei.
„Grabtuch aus Schmetterlingen“ wird ins Spanische übersetz
Damit nicht genug: Ihr von Brigitte Oleschinski und Osman Yousufi - Linas Ehemann - übersetzter und in arabisch-deutscher Sprache erschienene Lyrik-Band „Grabtuch aus Schmetterlingen“ soll nun ins Spanische übersetzt werden. Mario Gomes arbeite daran mit einem Übersetzer-Team, berichtet sie. Sie hätten unter anderem bereits Werke von Büchner-Preisträger Jan Wagner (mit ihm las Lina jüngst im Essener Maschinenhaus) und anderen deutschen Autoren übersetzt. „Er hat schon einen feinen chilenischen Verlag gefunden“, sagt Atfah. Zurzeit liefen Vertragsgespräche mit ihrem deutschen Verlag, dem Pendragon Verlag in Bielefeld.
Es gibt allerdings auch einen Wermutstropfen: Lina Atfah wird allein reisen, ohne ihren Mann und ihre im April geborenen Zwillinge Nay und Jan. Mit ihnen wäre es „viel einfacher und schöner gewesen“, sagt sie. Ihr Mann - er ist Physiklehrer - habe aber in diesem Jahr bis Ende September Elternzeit und anschließend noch Urlaub genommen; eine weitere Auszeit sei beruflich nicht möglich gewesen.
Aus Sorge um ihre Zwillinge habe sie eine Kinderärztin konsultiert: „Sie hat mir erklärt, dass meine Abwesenheit für Babys in diesem Alter und für diesen Zeitraum keinen großen Druck darstellen wird.“ Deshalb habe sie letztlich die Entscheidung für die Südamerika-Reise getroffen, „weil sie wichtig für meine Arbeit und meine kleine Familie ist“. Die (Vormittags-)Betreuung der Zwillinge sei aber gesichert: entweder durch Tageseltern - die Gespräche laufen - oder mit Plan B durch Linas Eltern und ihre Schwester aus Göttingen.
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Nach der Rückkehr aus Brasilien und Chile stehen für Lina Atfah bis Jahresende noch weitere Lesetermine an: Auf São Paulo und Santiago folgen Havixbeck und Castrop-Rauxel. Und: „Nächstes Jahr im Februar lese ich mit Annika Reich in Rostock und mit Jan Wagner in Göttingen.“ In ihrer Heimatstadt sei bislang nichts geplant.
Immerhin: In ihrer Heimatstadt wurde Lina Atfah nun eine Anerkennung zuteil. Oberbürgermeister Frank Dudda empfing die Wanne-Eickelerin im Herner Rathaus und würdigte sie „als starke Frau und vielbeachtete Autorin“. „Danke für den inspirierenden Besuch“, schrieb der OB auf seiner Facebook-Seite.
>>> Flucht, Lyrik, Preise und die Liebe zu Wanne-Eickel
- Nach Bedrohungen durch staatliche Behörden floh Lina Atfah 2014 aus Syrien über den Libanon nach Deutschland.
- Als Lyrikerin erhielt sie bereits mehrere Arbeitsstipendien und Preise. 2017 wurde sie mit dem kleinen Hertha-Koenig-Preis ausgezeichnet. 2020 wurde ihr für ihren arabisch-deutschen Gedichtband „Das Buch von der fehlenden Ankunft“ auf der Frankfurter Buchmesse der LiBeraturpreis verliehen. 2023 nahm sie mit ihren Übersetzern den Literaturpreis Ruhr für ihr zweites Buch „Grabtuch aus Schmetterlingen“ entgegen.
- Lina Atfah und ihre Familie leben in Wanne-Eickel. Da die Wohnung nach der Geburt der Zwillinge zu klein geworden ist, suchen sie eine größere Bleibe. Möglichst in Wanne-Eickel, denn: „Es bedeutet für mich viel, in dieser Stadt bleiben zu können“, bekennt sie.