Herne. Überforderte Erzieher und Gerüchte über Gewalt in der OGS in Herne machen Eltern Sorge. Andere fürchten, ohne Platz zu bleiben.

  • Bei der ersten WAZ-Familienkonferenz haben Eltern sich über Themen ausgetauscht, die sie bewegen.
  • Dabei sprachen sie über Gewalt und überforderte Erzieher in der OGS in Herne und ihre Sorgen.
  • Manche fürchten um ihren Job, da sie keinen Betreuungsplatz bekommen.

Die Situation im Offenen Ganztag (OGS) in Herne bereitet einigen Eltern große Sorgen. Manche fürchten um ihren Job, da sie keinen Betreuungsplatz bekommen, andere hören von Gewalt und überforderten Erzieherinnen in der OGS und wollen ihr Kind deshalb nicht gerne nach der Schule dort lassen. Das ist nur ein Thema, das bei der 1. WAZ-Familienkonferenz auf den Tisch kam. Den eingeladenen Eltern aus verschiedenen Stadtteilen in Herne brannten noch weitere Themen unter den Nägeln.

„Ich gucke mit Bauchschmerzen auf die Schulsituation in Herne“, sagt Susanne Budde, Mutter einer fast fünfjährigen Tochter. „Über die OGS höre ich furchtbare Sachen, wo ich jetzt schon denke: Wie bekommen wir es hin, dass meine Tochter da nicht rein muss?“ Einiges sei nur Hörensagen, betont sie, „aber natürlich macht mir das Angst. Ich kann das auch nicht abschütteln.“ Dass es auch Schulen gibt, an denen die OGS mit vielen AGs ein tolles Angebot bietet, wurde ebenfalls erwähnt.

Eltern wünschen sich mehr Flexibilität bei OGS in Herne

„Wir haben uns auch bewusst gegen die OGS entschieden“, sagt Daniel Klinkmann, der mit seinen zwei Kindern in Unser-Fritz lebt. „Das Image ist da ein Problem, uns ging es aber zudem um die Flexibilität bei der Abholung.“ So kritisiert er, dass man das Kind nicht vor 15 Uhr abholen könne. Zudem wisse er von Fällen, bei denen Kinder in der ersten Klasse nach Hause gegangen seien, die eigentlich in der OGS bleiben sollten. Das sei den Betreuern gar nicht aufgefallen. Das Kind nicht in die OGS zu schicken, erfordere von den Eltern allerdings einiges an Organisationstalent.

Daniel Klinkmann aus Herne hat sich mit seiner Familie bewusst gegen die OGS-Betreuung entschieden. Susanne Budde (l.) bereitet Sorgen, dass sie von viel Gewalt in der OGS gehört hat.
Daniel Klinkmann aus Herne hat sich mit seiner Familie bewusst gegen die OGS-Betreuung entschieden. Susanne Budde (l.) bereitet Sorgen, dass sie von viel Gewalt in der OGS gehört hat. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Anderen Eltern ist dies gar nicht möglich. Sie sind beruflich auf den Betreuungsplatz zwingend angewiesen – und bekommen ihn dennoch teilweise nicht. An immer mehr Schulen müssen Eltern, die einen OGS-Platz für das Kind möchten, einen Nachweis vom Arbeitgeber einreichen, wie viele Stunden sie arbeiten. Liegt dieser nicht über einer bestimmten Grenze, geht das Kind leer aus – selbst wenn das Geschwisterkind in der OGS ist.

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„Wenn du nicht 33 Stunden arbeitest, bekommst du bei uns keinen Platz“, sagt Britta, deren Kinder die Grundschule Vellwigstraße besuchen. „Es gibt Familien, die können nachts nicht schlafen, weil sie nicht wissen, wie sie den Kredit vom Haus abbezahlen sollen“, zeigt Britta aus Sodingen die Problemlage einiger Familien auf, die ihren Beruf nicht mehr in vollem Umfang ausführen können, weil sie keinen OGS-Platz fürs Kind bekommen. Dann müssten Familien, Omas und Opas einspringen, um die Zeit zu überbrücken in der Hoffnung, dass Kinder im Laufe des Schuljahres den OGS-Platz kündigen und das eigene Kind nachrücken könne.

Britta (l.) aus Sodingen sowie Nina (r.) erzählten bei der WAZ-Familienkonferenz in Herne von der schwierigen OGS-Situation in Herne.
Britta (l.) aus Sodingen sowie Nina (r.) erzählten bei der WAZ-Familienkonferenz in Herne von der schwierigen OGS-Situation in Herne. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Zudem platzen die Betreuungen aus allen Nähten: „Unsere OGS ist für etwa 80 Kinder ausgelegt, aber es sind mittlerweile an die 130 Kinder darin“, sagt Nina, Mutter von drei Töchtern aus Herne-Mitte. „Das ist also ein Kapazitätsproblem.“ Das Essen der Viertklässler geschehe im Akkord. „Meine Große musste in zehn Minuten mit dem Essen fertig sein, die hat immer Bauchweh gehabt.“

Der Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz ab 2026 mache die Situation auch nicht besser. Hingegen sieht etwa Britta eine andere Chance durch geänderte Betreuungssysteme: „80 Prozent unserer Eltern wären, glaub’ ich, schon glücklich, wenn sie einen gesicherten Betreuungsplatz bis 14 Uhr hätten“, sagt die zweifache Mutter. Das Mittagessen sei dann gar nicht nötig, das sehr teuer und eh nur selten von den Kindern gegessen werde. So könnten die Kinder viel mehr betreut werden.

>>>WEITERE INFORMATIONEN: 1. WAZ-FAMILIENKONFERENZ

  • Die WAZ-Herne hatte zum ersten Mal Eltern aus dem ganzen Stadtgebiet eingeladen, sich bei einer Familienkonferenz über Themen auszutauschen, die sie bewegen.
  • Das Thema „Offener Ganztag“ war eines der Themen, die dabei zu Sprache kamen. Ebenso ging es beispielsweise um die Fahrrad-Situation junger Familien, die Zustände der Toiletten an den Schulen, den Umgang mit Tablets sowie Spielplätze und die Freizeitgestaltung.
  • In der künftigen Berichterstattung werden wir einige dieser Themen aufgreifen. Wenn auch Sie Anregungen haben zu Themen, die Sie als Familie bewegt, schreiben Sie gerne eine E-Mail an kathrin.meinke@funkemedien.de.