Herne. Das Runde muss ins Eckige? Nicht beim Tipp-Kick. Bei dieser Tischfußball-Variante ist auch der Ball eckig. Die WAZ hat Phoenix Herne besucht.

Der Ball ist rund und ein Spiel dauert 90 Minuten? Diese Weisheiten haben bei dieser Fußball-Variante keine Gültigkeit. Hier hat der Ball gleich zwölf Ecken, und ein Spiel ist schon nach zehn kurzen Minuten beendet. Die Rede ist natürlich vom Klassiker Tipp-Kick. Seit 2015 geht Phoenix Herne auf Torjagd. Die Herner WAZ hat ein Training besucht – und gleich mitgekickt.

Wieder einen Vollspann-Fernschuss entschärft. Mein Torwart hat aber auch ein unfassbar gutes Stellungsspiel. So halte ich immer noch das 0:0. Nach vorne geht allerdings auch wenig bis gar nichts. Ob Lupfer oder gerader Schuss, ich komme selbst nicht durch und bin deutlich von einem Torerfolg entfernt. Ich hätte mich als Neuling gut mit einem Unentschieden anfreunden können, doch beim Schlusspfiff steht doch eine 0:2-Niederlage. Mein Torwart musste einen Bananenschuss und einen Lupfer passieren lassen. Dennoch bin ich zufrieden mit diesem Ergebnis, schließlich stand auf der anderen Seite des Feldes Jens Schüring. Als Gründer des Phoenix Herne zählt er zu den ausgebufften Routiniers und ist wohl bald sogar in der 2. Tipp-Kick-Bundesliga aktiv.

Training bei Phoenix Herne: ein Tipp-Kick-Torwart bei einer Parade.
Training bei Phoenix Herne: ein Tipp-Kick-Torwart bei einer Parade. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Für Schüring ist Tipp-Kick quasi die zweite Fußball-Laufbahn. In früheren Jahren hat er selbst gespielt, für den SG Stephanus-Holsterhausen. Bei einer Mannschaftsfahrt hätten sie ein Tipp-Kick-Turnier gespielt, „das hat bei mir den Ehrgeiz entfacht“, schildert der 47-Jährige seine Anfänge. Er habe sich umgehört, wo es im Ruhrgebiet Vereine gibt und habe sich Preußen Waltrop angeschlossen. 2015 stieg dann der Herner Phoenix mit Schüring Hilfe auf, zunächst im Sportjugendhaus am Westring, seit einiger Zeit ist der Presseraum in der Sporthalle Wanne-Süd Schauplatz für Training und Spiele.

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Der Herner Verein ist klein, aber international

Im Vergleich zum echten König Fußball ist die Tipp-Kick-Gemeinde sehr überschaubar, bundesweit gibt es nur wenige Ligen. Auch die Zahl der Aktiven bei Phoenix Herne ist überschaubar. Zurzeit habe der Verein sieben Mitglieder, allerdings sei er sehr international, erzählt Schüring. Ein Neumitglied stamme aus dem Irak, ein anderes Mitglied lebe in Schweden – da ist eine regelmäßige Trainingsbeteiligung eher unwahrscheinlich.

Beim Tipp-Kick hat der Begriff „Eisenfuß“ seine ganz eigene Bedeutung.
Beim Tipp-Kick hat der Begriff „Eisenfuß“ seine ganz eigene Bedeutung. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Beim Tipp-Kick müssen es nicht elf Freunde sein, lediglich ein Torwart und ein Feldspieler bilden das Team. Der Ball ist schwarz und weiß – Ballbesitz hat der Akteur, dessen Farbe oben liegt. So simpel und übersichtlich der grobe Rahmen scheint, wer in der Liga mithalten will – Phoenix spielt in der Regionalliga West mit besten Chancen auf den Aufstieg in die 2. Liga –, muss nicht nur trainieren, sondern einen konkurrenzfähigen Kader zusammenstellen. Mit der Grundausstattung, die es in gut sortierten Spielwarengeschäften zu kaufen gibt, wäre man Abstiegskandidat.

Der „Spielerkader“ von Jens Schüring von Phoenix Herne. Er hat für jede Situation auf dem Spielfeld einen „Spezialisten“.
Der „Spielerkader“ von Jens Schüring von Phoenix Herne. Er hat für jede Situation auf dem Spielfeld einen „Spezialisten“. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Längst sind die Schussbeine Spezialanfertigungen – wobei Beine keine präzise Beschreibung ist. Es handelt sich vielmehr um kleine Stifte aus Stahl. Für jede Spielsituation gibt es einen Spieler: mal für den Lupfer, mal für den strammen Schuss, mal für die kontrollierte Ballführung. Beim Tipp-Kick hat der Begriff Eisenfuß seine ganz eigene Bedeutung. Schüring selbst spricht von einer Materialschlacht, manche Spieler auf Top-Niveau hätten einen „Kader“ mit mehreren Hundert Spielern. „Mich reizt die Mann-gegen-Mann-Konstellation, man bekommt sofort eine Reaktion“, erzählt Schüring. „Das ist wie eine Mischung aus Tischtennis und Schach.“

2024 wird Tipp-Kick 100 Jahre alt

Der mögliche Aufstieg in die 2. Bundesliga wäre „historisch“, so Schüring. Im kommenden Jahr wird es ganz sicher etwas Historisches geben. 2024 wird Tipp-Kick 100 Jahre alt, deshalb finden die Deutschen Meisterschaften am Gründungsort Schwenningen statt. Jens Schüring hat sich schon angemeldet.

>>> TRAINING JEDEN MITTWOCH

Der TKC Phoenix Herne trainiert mittwochs ab 19 Uhr im Presseraum der Sporthalle Wanne-Süd (Hintereingang), Im Sportpark 20. Kontakt schuering.jens@gmail.com; Homepage des Vereins: www.phoenix-herne.jimdo.com; Allgemeine Informationen zu Tipp-Kick: www.deutscher-tipp-kick-verband.de