Herne. Herne soll eine Seilbahn bekommen. Was viele nicht wissen: Seilbahnen gab es in Herne schon früher. Wo sie standen, welche Orte sie verbanden.
Herne soll eine Seilbahn erhalten. Das ist der Wunsch von Oberbürgermeister Frank Dudda (SPD). Er verbreitet Aufbruchstimmung: Auf der Zechenbrache Blumenthal in Wanne-Eickel plant er eine Technologiewelt, die „Techno Ruhr International“ mit einem Mix aus Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Wohnhäusern und Grün. Blickfang und Innovationsmotor soll eine Seilbahn sein, die an den ÖPNV angebunden ist. Pendeln soll sie zwischen Wanne-Mitte und dem Blumenthalgelände.
Zechenbrache? Seilbahn? Aufbruchstimmung? Da war doch was? Ja, sagt Gerd Körner von der Herner Geschichtsgruppe „Die Vier!“. Er hat zum Thema Seilbahnen in Herne recherchiert und schaut zurück auf das ausgehende 19. und den Beginn des 20. Jahrhunderts. „Schon vor über 100 Jahren herrschte in Herne Aufbruchstimmung“, berichtet er. Der Bergbau boomt, mit ihm macht sich Aufbruch breit, und die Städte Herne und Wanne-Eickel wachsen und wachsen – so rasant, dass sie bald Großstädte sind. Verschiedene Zechengesellschaften siedeln sich an, „Schachtanlagen schießen in Herne und in den Nachbarstädten wie Pilze aus dem Boden“. Bald werden Hunderttausende Tonnen Kohle gefördert, die aufwendig transportiert werden müssen. Von den Zechen zu den Kokereien, aber etwa auch zum Kanalhafen. „Nicht in allen Fällen konnte das mit der Eisenbahn geschehen“, sagt der Heimatkundler. So seien etwa Straßen oder Siedlungen im Weg gewesen. „Eine Lösung lag in – Seilbahnen.“
Herne: Transportwege verkürzten sich deutlich
Anders als heute geplant, sollen die Gondeln damals von Anfang an aber keine Menschen befördern. Das sei auch gar nicht nötig gewesen, denn die Arbeiter wohnen nahe ihrer Arbeitsstätten, zum größten Teil in Kolonien. Geplant seien Gondeln deshalb vielmehr ausschließlich für den Transport von Kohle.
Gebaut worden sei so zuerst eine Drahtseilbahn für die Zeche Friedrich der Große in Horsthausen, konkret: von der Schachtanlage V auf der Nordseite des Rhein-Herne-Kanals hinüber auf die Südseite zu den Kokereien auf der Anlage III/IV. Die Anlage sei 1915 in Betrieb genommen – aber fast sofort wieder überflüssig geworden. Noch im selben Jahr wird sie wieder eingestellt, Grund ist laut Körner die Entscheidung der Zeche, mit dem Schacht V keine Kohle mehr fördern zu wollen. Die Schachtanlage sei nur noch für die Personenbeförderung und als Wetterschacht genutzt worden. Die kurze Lebensdauer der aufwendig geplanten Seilbahn sei durch die Geschäftsberichte, die er eingesehen habe, belegt.
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1938, kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs, sei dann die nächste Seilbahn errichtet worden – eine ein Kilometer lange Drahtseilbahn für die Zeche Gewerkschaft Constantin der Große. Sie verläuft von der Schachtanlage 4/5 auf Herner Gebiet zur Schachtanlage 10 in der damaligen Gemeinde Hiltrop. „Dadurch wurde der Transport von Feinkohlen deutlich verkürzt.“ Das erklärt auch ein Zeitungsartikel der Herner Zeitung vom 8. März 1938. Unter der Überschrift „Wagen hängen am Seil“ heißt es: „Bisher mussten nämlich die Kohlen erst auf dem Schacht 4/5 in Waggons geladen werden, wurden von da nach dem Sammelbahnhof in Riemke und von da wieder zurück, am Schacht 8/9 und Schacht 10 vorbei, nach Schacht 10 geschickt, um dort wieder ausgeladen und dann in die Kohlebunker geladen werden.“
Bei dieser Seilbahn, so erklärt das Blatt, ruhten das Lauf- und das Zugseil auf sechs in Beton eingelassenen eisernen Pfählen, die regelmäßig auf der gesamten Strecke verteilt seien. Die Kohle werde in „etwa zwei Dutzend Hängekübeln“ transportiert. Besonderheit: „Um zu verhindern, dass durch herabfallende Kohlen größerer Schaden angerichtet wird, hat man die Bahn über der Wiescherstraße über eine Hochbrücke geführt.“
Eine weitere, dritte Seilbahn habe die Harpener Bergbau AG – ab 1945 Märkische Steinkohlengewerkschaft – von der Zeche Julia in Baukau zur Zeche Recklinghausen I beziehungsweise dem angegliederten Kanalhafen betrieben. In Betrieb genommen wird sie laut Körner etwa zeitgleich mit der Eröffnung des Rhein-Herne-Kanals 1914. Die nächsten Jahre wird sie viel genutzt. Erst mit dem Bau des Kanalhafens „Julia“ und der neuen Zentralaufbereitung der Zeche im Jahr 1931 sei die Seilbahn dann nicht mehr benötigt und bald demontiert worden.
Den Transport der Kohle von Julia nach Recklinghausen II habe dann eine weitere besondere Bahn übernommen: eine über zwei Kilometer lange Oberkettenbahn, auch „Teckelbahn“ genannt. „Diese Bahn verlief ebenfalls quer über Baukau, überquerte den Rhein-Herne-Kanal und die Emscher und verband, mit einem Abzweig zur Zeche Recklinghausen II, die Zechen mit der neuen Zentralaufbereitungsanlage.“
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Auch die „Teckelbahn“ strahlte Fortschritt aus: „Sie galt als längste Förderbrücke Europas“, so das Mitglied von „Die Vier!“. Nach Stilllegung der Zeche Julia am 15. Juni 1961 war auch dieses Kapitel beendet: Die „Teckelbahn“ wurde eingestellt und demontiert.
>>> Die Seilbahn-Pläne der Stadt auf Blumenthal
Die neue Seilbahn in Wanne-Eickel soll nach Vorstellungen der Stadt Wanne-Mitte mit dem Blumenthal-Gelände verbinden. Der Hauptbahnhof Wanne-Eickel soll dabei eine zentrale Rolle spielen. Neben dem Hbf sollen die Gondeln die Gleise überqueren.
In etwa fünf Jahren, also 2028, könnten die ersten Gebäude der Technologiewelt „Techno Ruhr International“ fertig sein, heißt es bei der Stadt. Da könnte auch die Seilbahn öffnen. Nach aktuellen Schätzungen koste die Seilbahn zwischen 33 und 40 Millionen Euro.