Herne. Zwei Förderschulen in Herne sollen erweitert werden, da sie überfüllt sind. Für eine Debatte sorgte hingegen die Ablehnung der Inklusion.
Es kann nicht so weitergehen wie bisher – an den Förderschulen und beim „Gemeinsamen Lernen“ in den Regelschulen. Das war wohl ein Fazit nach einem intensiven Austausch zwischen Politikern, Schulleitungen und Schulverwaltung am Donnerstag im Schulausschuss. Einig waren sich die Anwesenden dabei bei der Abstimmung darüber, dass mehr Schulraum für die Förderschulen gesucht und bereitgestellt werden muss.
Denn wie die WAZ bereits kürzlich ausführlich berichtete, sind die Zahlen an den vier Förderschulen in Herne in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. Diesen Trend zeigte auch Svenja Hoffmann vom Fachbereich Schule und Weiterbildung bei der Stadt bei der Vorstellung des Schulentwicklungsplans für die Förderschulen für die Jahre 2023 bis 2027 auf. Allein im Bereich des Förderschwerpunktes „Geistige Entwicklung“ seien die Schülerzahlen deutlich gestiegen – um etwa 30 Prozent. Die Folge: „Die Klassenfrequenz wird in Herne deutlich überschritten“, sagte Hoffmann.
Da an der Schule am Schwalbenweg aufgrund der Situation vor Ort keine Ausbaupotenziale gesehen würden, solle geprüft werden, an der Robert-Brauner-Schule mit Klassenraummodulen, also Containern, „kurzfristig“ für das Schuljahr 2024/25 zusätzlichen Raum zu schaffen, so die Empfehlung. Gleichzeitig solle eine Machbarkeitsstudie angestoßen werden, wie man die Robert-Brauner-Schule und gleichzeitig die Schule am Schwalbenweg langfristig entlasten könne. Für die Schule am Schwalbenweg sollten die künftigen Optionen für einen Standortwechsel bewertet und nach Möglichkeit genutzt werden, so die Empfehlung der Verwaltung.
Herne: Klassenraummodule für Erich-Kästner und Robert-Brauner-Schule
Auch für die Erich-Kästner-Schule wolle die Verwaltung eine Machbarkeitsstudie anstoßen, so Hoffmann. Zwar gehe die Nachfrage an dieser Schule im Förderschwerpunkt „Sprache“ deutlich zurück (um 40,6 Prozent), gleichzeitig steige die Nachfrage im Förderschwerpunkt „Lernen“ (41,9 Prozent). Schulleiterin Nicole Buchbender, die beim Schulausschuss ebenfalls anwesend war, äußerte die Vermutung, dass dies nur eine formale Verschiebung sei: „In Herne gibt es sehr wenige Kinder, die den Förderschwerpunkt Lernen ausgewiesen haben.“ Sie denke, dass er nicht diagnostiziert und somit nicht sichtbar werde. Sie vermute, dass diese Kinder an den Grundschulen eingeschult würden und nach der Schuleingangsphase dann im Förderschwerpunkt „Lernen“ (aber aufgrund sprachlicher Probleme) zu ihnen wechselten.
Für den Teilstandort „Grüner Weg“ der Erich-Kästner-Schule bilanzierte Svenja Hoffmann: „Auch dort haben wir räumliche Defizite.“ Deshalb plane die Verwaltung auch an dieser Schule zum Schuljahr 2024/25 mit Klassenraummodulen, um kurzfristig zu helfen.
In der anschließenden Fragerunde wies Markus Mähler (CDU) darauf hin, dass es mit Blick auf die Schule am Schwalbenweg nicht ausreiche zu sagen: Wir behalten die Situation im Blick. „Da hapert es an allen Ecken und Enden, und ich glaube, da müssen wir beim Schulentwicklungsplan mehr liefern.“ Das sei ihm zu dünn. Die Weitsichtigkeit fehle ihm auch bei der Schule an der Dorneburg. Dort sei kein Handlungsbedarf? Das zweifele er an.
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Dabei bekam er Unterstützung von Schulamtsdirektor Dieter Leiendecker, der in Herne für die Förderschulen zuständig ist. „Die Herausforderungen steigen dort enorm“, betonte er. Es kämen Schülerinnen und Schüler in die erste und zweite Klasse, die unglaubliche Auffälligkeiten hätten, so dass das Personal überfordert sei. „Ich sage das mal ganz deutlich: Wie oft in den letzten zwei Monaten die Polizei vor Ort war, auch bei den Jüngeren – es ist ein unglaubliches Gewaltpotenzial da“, betont Leiendecker. Eine Erziehung oder ein Einwirken auf die Kinder könne mit dem Personalschlüssel nicht mehr geleistet werden.
Fabian May, schulpolitischer Sprecher der Grünen, stieß eine Diskussion darüber an, ob nicht auch die Gymnasien in Herne wieder ins „Gemeinsame Lernen“ einbezogen werden sollten, um so die Förderschulen zu entlasten. „Alle Schulen in Herne engagieren sich in Sachen Inklusion bis auf die fünf Gymnasien“, sagte May und warf ihnen vor, „sich aus der Inklusion heraus zu stehlen“. Er erhoffe sich dadurch „zumindest ein Stück weit Druck vom Kessel zu nehmen.“
Gymnasien könnten nur freiwillig am Gemeinsamen Lernen teilnehmen
Svenja Hoffmann verwies aber auf die rechtlichen Rahmenbedingungen, die es in Herne sehr schwierig machten, die Gymnasien mit einzubinden. Das müsse wenn freiwillig geschehen. Hendrik Bollmann (CDU) und Marita Cramer (FDP) waren sich hingegen einig, dass die benötigten Kompetenzen für Förderschüler andere seien als die von Gymnasiallehrern. Und auch Nicole Nowak, Sprecherin der Herner Gymnasien, betonte, dass vielleicht die räumlichen Kapazitäten an Gymnasien besser seien, nicht jedoch die personellen. „Wir haben einen anderen Bildungsauftrag“, sagte sie. „Das Gymnasium soll zum Abitur führen – diesen Auftrag müssen wir ebenfalls erfüllen.“ Außerdem nehme die Zahl der Kinder mit emotional-sozialem Förderbedarf auch an Gymnasien zu.
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