Düsseldorf. Immer weniger Fachkräfte für immer mehr Pflegebedürftige: Jetzt geht's um neue Anwerbeabkommen. Gelingt eine “echte Willkommenskultur“?

Die schwarz-grüne Landesregierung unterstützt neue Pläne des Bundes zur verstärkten Anwerbung von Pflegekräften aus Ländern wie Brasilien und Mexiko. „Wir brauchen eine echte Willkommenskultur, die bei den Auslandsvertretungen in Drittstaaten anfängt über die Ausländerbehörden und die Kommunen bis hin zu einer vielfaltsbewussten und -wertschätzenden Unternehmenskultur reicht“, forderte NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Sonntag gegenüber unserer Redaktion.

Laumanns Amtskollege im Bund, Hubertus Heil (SPD), hat angekündigt, im Juni mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nach Brasilien zu reisen. Dort sei das Arbeitskräftepotenzial im Pflegebereich sehr groß. Darüber hinaus gebe es Absprachen mit Indonesien und Mexiko. Man werde „gemeinsam mit der Wirtschaft eine Anwerbestrategie in Ländern umsetzen, in denen es mehr junge und gut ausgebildete Menschen gibt, als der dortige Arbeitsmarkt aufnehmen kann“, wurde Heil in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ zitiert.

280.000 Beschäftigten arbeiten in NRW in der Pflege

Laumann begrüßte es ausdrücklich, „wenn Arbeitsminister Heil und Außenministerin Baerbock in Brasilien für die Pflege in Deutschland werben und anwerben wollen“. Dies sei auch eines der wesentlichen Ziele seiner zuletzt gestarteten Fachkräfteoffensive. In NRW arbeiten mehr als 280.000 Beschäftigte in der Pflege. Laumann hat allein in den vergangenen drei Jahren 350 Millionen Euro in zusätzliche Schulplätze und die Ausbildungsbedingungen investiert. Die Zahl der Auszubildenden stieg zwar 2021 erstmals spürbar, doch Experten befürchten eine weitere Verschärfung der Mangellage.

Zurzeit kommen laut Arbeitsagentur bundesweit auf 100 freie Stellen nur 33 potenziell verfügbare Pflegekräfte. Die Zahl der Pflegebedürftigen hat sich in den vergangenen 20 Jahren hingegen mehr als verdoppelt. „Wir brauchen mehr Pflegekräfte in unserem Land. Um dies zu erreichen, müssen wir zum einen mehr Pflegekräfte ausbilden. Zum anderen sind wir aber auch auf die Zuwanderung von Fach- und Arbeitskräften aus dem Ausland angewiesen“, stellte Laumann klar.

Laumann versuchte es bereits mit einem "Willkommensgeld" übe 3000 Euro

Die gezielte Anwerbung gestaltet sich aber offenbar schwierig. Laumann hatte im vergangenen Jahr bereits ein „Willkommensgeld NRW“ in Höhe von 3000 Euro ausgelobt, um Pflegefachkräfte aus Nicht-EU-Ländern anzulocken. Mit dieser Prämie, die aus EU-Mitteln bereitgestellt wird, sollen Bürokratiekosten bei der Einreise sowie Startschwierigkeiten bei Unterkunft und beruflicher Anerkennung aufgefangen werden. Die Hürden sind vergleichsweise hoch: Pflegekräfte müssen bereits Deutschgrundkenntnisse nachweisen und zudem an berufsspezifischen Sprachkursen teilnehmen. Bis zur vollständigen Anerkennung ihrer Qualifikation werden sie nur als Pflegehilfskräfte bezahlt.

Die Attraktivität von Anwerbeaktionen hält sich bislang offenbar in Grenzen: Wie die dpa am Wochenende vorrechnete, seien im vergangenen Jahr bundesweit nur 656 ausländische Pflegekräfte durch die Bundesagentur für Arbeit nach Deutschland vermittelt worden.