Herne. Der Fachkräftemangel in Pflegeberufen wird seit Jahren diskutiert. Die Herner EvK-Krankenhausgruppe setzt nun auf Pfleger von den Philippinen.
Der Fachkräftemangel in den Pflegeberufen wird seit Jahren diskutiert. Verbessert hat sich die Situation nicht. Die Evangelische Krankenhausgemeinschaft hat reagiert und das Pflegeteam mit Mitarbeitern aus dem Ausland verstärkt. 15 examinierte Kräfte von den Philippinen sind seit einiger Zeit in den EvK-Häusern im Einsatz.
Wie in anderen Häusern, so sei auch in der EvK-Gruppe die Situation angespannt, erzählt Pflegedirektorin Beate Schlüter. Zwar verfüge man über eine eigene Krankenpflegeschule und die meisten Absolventen blieben nach der Ausbildung den EvK-Häusern auch treu. Doch das reiche nicht, um die Abgänge - sei es durch Verrentung oder Schwangerschaften - aufzufangen. Die Konsequenz: Durch die vorgegebenen Pflegepersonaluntergrenzen könnten Krankenhäuser unter Umständen nicht alle vorhandenen Betten betreiben.
Abwerbung von Personal durch Leiharbeitsfirmen
Darüber hinaus gebe es Abwerbeversuche durch Leihfirmen. Dass gar nicht wenige Pflegekräfte diese Angebote annähmen, liege daran, dass Dienstpläne sicherer seien als in Krankenhäusern. Auch der Verdienst spiele eine Rolle. Und die Leiharbeitsfirmen würden wiederum Krankenhäuser bedienen, das sei durchaus üblich.
Deshalb habe man sich Gedanken gemacht, wie man diese Lücke schießen kann und begonnen, sich mit der Rekrutierung von ausländischen Pflegekräften zu beschäftigen. In dieser Hinsicht gebe es durchaus ein großes Angebot auf dem Markt so, Schlüter, doch die Umsetzung habe sich in der Vergangenheit längst nicht immer als praktikabel herausgestellt. So kamen vor einigen Jahren angesichts der hohen Arbeitslosigkeit im Heimatland viele Pflegekräfte aus Spanien nach Deutschland, doch der Großteil sei wieder zurückgekehrt. In den Balkanstaaten wiederum herrsche inzwischen selbst ein Fachkräftemangel.
Die Ausbildung auf den Philippinen ist gut, und dort herrscht kein Fachkräftemangel
Schlüter: „Wir haben uns dann sehr bewusst für die Philippinen entschieden. Einerseits, weil die Ausbildung dort sehr gut ist, andererseits war es uns wichtig, nicht aus einem Land Kräfte abzuziehen, wo es selbst einen Mangel gibt.“ Und auf den Philippinen gebe es zahlreiche gut ausgebildete Kräfte, die aber dort keinen Job fänden, was unter anderem daran liege, dass die Gesellschaft insgesamt jünger sei. Außerdem würden sich die Kulturen der beiden Länder gar nicht so sehr unterscheiden.
Nachdem diese Entscheidung feststand, hat sich das Herner Pflegeteam von der vermittelnden Firma Profile der potenziellen Mitarbeiter schicken lassen. Nach ersten Gesprächen per Video ist Beate Schlüter im März 2020 - kurze Zeit vor dem Lockdown - auf die Philippinen gereist, um sich die Vermittlung vor Ort anzuschauen und den Anbieter auf Seriosität zu prüfen.
Jonel Gregorio sieht seine Erwartungen an das Arbeiten in Deutschland bislang erfüllt
Die Mitarbeiter, die alle einen Bachelorstudiengang absolviert haben und erste Berufserfahrung gesammelt haben, lernen bereits in Manila für ein halbes Jahr Deutsch. Trotz der guten Ausbildung müssten die Kenntnisse noch für die deutschen Krankenhäuser angepasst werden. Auf den Philippinen stehe die spezielle Behandlungspflege im Vordergrund, die Grundpflege stehe eher im Hintergrund. Schlüter: „Pfleger auf den Philippinen sind nicht so sehr damit vertraut, Patienten zu waschen und ihnen Essen anzureichen, weil dies häufig die Angehörigen übernehmen.“
Deshalb müssen die Bewerber, die im Februar in Herne angekommen sind, bei der Bezirksregierung einen Antrag auf Gleichstellung der Ausbildung stellen, daraus ergibt sich ein sogenannter „Defizitbescheid“, der auflistet, was der Bewerber noch nachweisen muss, um eine Gleichwertigkeit zum deutschen Abschluss zu erreichen. Dies geschehe mit einem Anpassungslehrgang. Die 15 Kräfte des EvK absolvieren in der Pflegeschule in Herne eine Vorbereitung auf die Kenntnisprüfung, die im August - theoretisch und praktisch - stattfinden wird.
Jonel Gregorio ist einer der philippinischen Pflegekräfte, die nun in Herner EvK arbeiten. Die Entscheidung, nach Deutschland zu gehen, habe unter anderem mit der Tatsache zu tun, dass er hier besser versichert sei. Er habe bei der Vorbereitung nicht nur die deutsche Sprache gelernt, sondern ihm sei auch das deutsche Pflege- und Gesundheitssystem vermittelt worden. Das habe ihn überzeugt. Dazu seien unter anderem Rollenspiele gemacht worden. Auch Youtube habe als Informationsquelle gedient. Seine Erwartungen seien bislang erfüllt worden. Er habe sehr nette Mitarbeiter, die er jederzeit fragen könne, wenn ihm etwas nicht klar sei. Was schwierig sei: die deutsche Sprache.
>>> PHILIPPINISCHE PFLEGEKRÄFTE AUCH IN ANDEREN KRANKENHÄUSERN
■ Die evangelische Krankenhausgemeinschaft Herne ist nicht der einzige Träger, der auf Kräfte von den Philippinen setzt.
■ Die Helios St. Elisabeth Klinik Oberhausen hat ebenso Pflegekräfte aus dem asiatischen Inselstaat verpflichtet wie das Marien-Hospital in Wesel.
■ Bereits 2016 hatte die Bundesagentur für Arbeit damit begonnen, um Pflegekräfte von den Philippinen zu werben.