Herne. Viele Medikamente sind derzeit nicht lieferbar. Das führt zu Frust bei Apothekern und Kunden. Hernes Apotheker-Sprecher: „Es ist katastrophal.“
- Viele Medikamente sind zurzeit nicht lieferbar.
- Das führt zu Frust bei Apothekern und Kunden.
- Die Engpässe betreffen alle Produktgruppen.
„Sowas habe ich in 25 Jahren Selbstständigkeit noch nicht erlebt.“ Die Zustände, die Hernes Apotheker-Sprecher Robert Sibbel schildert, klingen gravierend: Sehr viele Medikamente seien zurzeit nicht lieferbar, Kundinnen und Kunden müssen teilweise lange auf wichtige Medikamente warten, auch Antibiotika seien betroffen. „Es ist katastrophal“, klagt Sibbel. Und: „Das macht keinen Spaß.“
Die Situation habe sich zuletzt zugespitzt. Fast jedes zweite Rezept ist nach Angaben des Apothekerverbandes Nordrhein von Lieferengpässen bei Arzneimitteln betroffen. Das sei das zentrale Ergebnis einer repräsentativen Blitzumfrage unter den Apotheken des Regionalverbandes, teilte der Verband mit. Ob auch in Herne jedes zweite Rezept betroffen ist, weiß Sibbel nicht: „Wir führen darüber keine Liste.“ Aber: „Gefühlt ist das bei uns auch so.“
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Apotheker haben deutlich höheren Aufwand durch Lieferengpässe
Dabei handele es sich nicht nur um bestimmte Medikamente, sondern betreffe alle Produktgruppen „querbeet“. Der Grund für die Engpässe lasse sich nicht in wenigen Sätzen erklären, sagt Sibbel. Kurz gefasst: Der Preisdruck, der über Rabattverträge reingekommen sei, habe dazu geführt, dass die Firmen Kosten sparen müssten und nichts auf Halde produziert hätten. Hinzu komme die China- und die Kriegsproblematik. „Aus China kommen viele Sachen nicht, und viele Wirkstoffe werden nur von ein, zwei Fabriken weltweit produziert. Wenn die ausfallen oder weniger liefern, dann merken wird das hier.“
Die Lieferengpässe führten zu deutlich höherem Aufwand bei den Apothekerinnen und Apothekern. So müsse über Alternativen nachgedacht werden, was gerade bei Antibiotika mit dem Arzt oder der Ärztin abgestimmt werden sollte. Auch Fiebersäfte für Kinder seien zur Zeit nicht leicht zu bekommen. „Und dann erklären Sie mal einer besorgten Mutter, dass es keinen Fiebersaft mehr für ihr krankes Kind gibt“, so Sibbel. Das sorge bei allen Beteiligten für zusätzlichen Stress.
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Einige Kundinnen und Kunden versuchten es dann häufig in der Nachbarapotheke, „aber dort gibt es das Medikament dann auch nicht“. Das führe zu Unzufriedenheit auf allen Seiten. Robert Sibbel betont, dass alle Apothekerinnen und Apotheker bemüht seien, sich um Alternativen zu kümmern. „Das gelingt auch fast immer“, betont er. Er und seine Kolleginnen und Kollegen hoffen auf das Verständnis der Kundinnen und Kunden.
Herner Apotheke stellt Paracetamol-Säfte und -Zäpfchen selbst her
In der Flora-Apotheke beruhige sich die angespannte Situation allmählich wieder, sagt Marlene Kissel-Lux, die gemeinsam mit ihrem Vater die Flora-Apotheken in Eickel und Crange betreibt. Ende vergangenen Jahres sei die Situation am schlimmsten gewesen. Vor allem Paracetamol- und Ibuprofen-Säfte für Kinder seien nicht zu bekommen gewesen. Deswegen stellen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter inzwischen selbst den Paracetamol-Saft her. Das habe gerade am Anfang länger gedauert, „aber inzwischen haben wir unsere Erfahrungen gemacht“, sagt Kissel-Lux. Natürlich sei der Preis für den selbsthergestellten Saft höher als der industriell gefertigte Saft.
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Bei den meisten Medikamenten, die nicht lieferbar sind, könnten die Apothekerinnen und Apotheker Alternativen finden. „Das haben wir schließlich gelernt.“ Bei einigen Produkten – wie beispielsweise Herzmitteln – müssten die Patientinnen und Patienten jedoch noch mal Absprache mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin halten. „Manchmal muss man schon kreativ werden“, fasst Kissel-Lux die aktuelle Situation zusammen.