Herne. Wie kann man junge Menschen fürs Handwerk begeistern? Schornsteinfegermeisterin Julia Bothur mit Bezirk in Herne nutzt die Plattform Instagram.

Diese Frage wird immer drängender: Wie kann man junge Menschen für eine Ausbildung im Handwerk begeistern? Für Julia Bothur ist die Antwort klar: Mit Berufswahlmessen jedenfalls nicht mehr, stattdessen mit Social Media. Die Schornsteinfegermeisterin mit Bezirk in Herne macht es auf Instagram vor.

Dabei fällt die Bestandsaufnahme der 38-jährigen Bochumerin genauso ernüchternd aus wie die des Herner Kreishandwerksmeisters Hans-Joachim Drath: Das Handwerk habe keine guten Ruf, der Nachwuchs- und Fachkräftemangel zeige erste ernsthafte Auswirkungen - gerade in ihrem Beruf. Die Verklärung von Schornsteinfegern als Glücksbringer verdeckt, dass sie eine behördliche Tätigkeit in seinem sensiblen ausüben. Im Regierungsbezirk Arnsberg gebe es 321 Kehrbezirke, davon hätten die ersten gar keine Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter mehr, weiß Bothur, die auch Dozentin an der Meisterschule ist.

Schwierige Nachwuchsgewinnung

Für die Handwerkskammer ist Julia Bothur Botschafterin der Kampagne „Starke Frauen im Handwerk“
Für die Handwerkskammer ist Julia Bothur Botschafterin der Kampagne „Starke Frauen im Handwerk“ © HWK

Auch wenn sie selbst einen Mitarbeiter und einen Auszubildenden habe: Die Nachwuchsgewinnung gestalte sich schwierig. Einerseits, weil Betriebe nicht - mehr - ausbilden, andererseits, weil an den Schulen nicht mehr aufs Handwerk als mögliche Berufslaufbahn hingewiesen werde. Ihrer eigenen Nichte, die schon sehr früh den Berufswunsch Schornsteinfegerin geäußert habe, sei dringend abgeraten worden. Inzwischen sei sie im zweiten Lehrjahr...

Julia Bothurs Erfahrung zeige: Hätten Schülerinnen und Schüler im Praktikum erstmal ihren Beruf kennengelernt, fänden sie ihn toll. Bothur: „Da spielt viel Unwissen mit. Die Leute denken: Da mach ich mich dreckig, oder da kann ich kein Geld verdienen.“ Auch die Eltern spielten bei der Abkehr von Handwerksberufen eine Rolle. Hinzu komme, dass die Jugend etwas bequemer geworden sei. Bei Wind und Wetter draußen...?

Über 4200 Nutzer folgen Julia Bothur auf Instagram

Bothur stemmt sich gegen diesen Trend - auf mehreren Ebenen: So ist sie Botschafterin der Imagekampagne „Starke Frauen im Handwerk“ der Handwerkskammer, sie ist Teil des Handwerkskalenders 2021 oder sie engagiert sich für den Innungsverband. Doch zusätzlich zu diesen traditionellen Wegen hat sich Bothur zur Influencerin auf Instagram entwickelt. Als „schornsteinfegerin_julia“ macht sie dort auf ihren Beruf aufmerksam und gibt mit Filmen Auskunft zu manchen Fachfragen, zum Beispiel, welche Anforderungen ein Kaminofen erfüllen muss. Bothur folgen inzwischen mehr als 4200 Nutzerinnen und Nutzer. „Für eine Handwerkerin ist das viel“, so Bothur.

Julia Bothur postet regelmäßig Fotos oder Videos auf Instagram oder TikTok.
Julia Bothur postet regelmäßig Fotos oder Videos auf Instagram oder TikTok. © Julia Bothur

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Und einige von diesen Nutzern folgen nicht nur, sondern fangen offenbar an, sich für den Beruf zu interessieren. Sie habe mittlerweile zahlreiche Anfragen erhalten, wie die Arbeit einer Schornsteinfegerin tatsächlich aussieht und wie man denn in den Beruf einsteigen kann. „Ich beantworte alle Fragen, manchmal fühlt sich meine Instagram-Tätigkeit fast wie ein zweiter Job an“, so Bothur im Gespräch mit der WAZ-Redaktion. Zumal die Produktion der Fotos und vor allem der Videos aufwendig sei. In den Videos ist sie in einer Doppelrolle zu sehen. Als Laiin, die Fragen stellt, und als Schornsteinfegermeisterin, die die fundierten Antworten gibt. „Instagram ist so viel mehr, als nur mal ein paar Bilder zu posten.“ Sie versuche, alle zwei bis drei Tage etwas zu posten. Man müsse quasi konstant „liefern“, nur so erhöhe sich die Reichweite, werde man auf Instagram anderen Nutzerinnen und Nutzern vorgeschlagen.

Berufswahlmessen würde die Schornsteinfegerin nicht mehr veranstalten

Als Betrieb könne man die Plattform sehr gut nutzen. Entweder, um auf das eigene Unternehmen aufmerksam zu machen, oder um Mitarbeiter oder Auszubildende zu gewinnen. Gerade um junge Menschen zu erreichen, seien Instagram oder auch TikTok ideal, auch dort postet Bothur Videos. Corona habe diesen Instrumenten einen starken Schub verliehen.

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Berufswahlmessen veranstalte Bothur gar nicht mehr. Für die meisten Jugendlichen sei das nur ein Tag, an dem sie einen Ausflug machen und keinen Unterricht haben. Bothur: „Ich glaube, dass man die jungen Leute viel besser über das Internet erreicht.“ Sie selbst wisse von jungen Menschen, bei denen ihr Instagramauftritt den Anstoß gegeben habe, eine Lehre als Schornsteinfeger zu beginnen.