Herne. Immer mehr Wärmepumpen, E-Ladestationen und Photovoltaikanlagen: Ist das Stromnetz dem steigenden Verbrauch gewachsen? Das sagen die Stadtwerke.
Als sich im vergangenen Sommer viele Menschen angesichts des düsteren Szenarios einer Gasmangellage elektrische Heizlüfter zulegten, da wurden auch die Stadtwerke Herne hellhörig. Es stand die Frage im Raum, ob das Stromnetz hält, wenn Hunderte dieser Lüfter parallel angeknipst werden. Die Antwort musste zum Glück nicht gegeben werden, weil Deutschland weit entfernt ist von einem Gasmangel. Doch in Zukunft stellt sich eine andere Frage: Was passiert mit dem Stromnetz, wenn immer mehr Wärmepumpen, Photovoltaikanlagen und E-Ladestationen installiert werden? Muss Strom womöglich rationiert werden? Bei den Stadtwerken beschäftigt man sich bereits mit diesem Szenario.
Man habe einen recht guten Überblick über die Entwicklung, so Stadtwerke-Vorstand Ulrich Koch im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Photovoltaikanlagen müssten im Zuge der Installation angemeldet werden. Zurzeit seien rund 900 in Betrieb, die Zahl steige kontinuierlich. Auch die Zahl der Wärmepumpen wachse, weil sie im Neubaubereich inzwischen Standard sei. Aber auch im Bestand werde zunehmend umgerüstet.
Trotz dieses Zuwachses: „Wir beobachten als Netzbetreiber in Herne keine deutlich steigenden Stromverbräuche in den vergangenen Jahren“, so Koch. Die mögliche Erklärung: Es gibt zwar immer mehr elektrische Geräte, doch die seien immer effizienter. Die Steigerung des Stromverbrauchs könne mit Verzögerung eintreten. Zumal die Zahl der Elektrofahrzeuge - und damit auch die Zahl der Ladestationen - wächst. Langfristprognosen gehen von einer Verdopplung bis Verdreifachung des Stromverbrauchs in Deutschland aus.
Kabelmesswagen kontrolliert kontinuierlich den Zustand der Kabel
Was sich schon in näherer Zukunft ändern könnte: die Nachfrage nach der Leistung. So hat die HCR vor wenigen Tagen mitgeteilt, dass sie ab 2025 nur noch E-Busse beschaffen wolle. Damit muss auch das Netz Richtung HCR-Betriebshof in Börnig ausgebaut werden. Auch in anderen Gebieten stehe perspektivisch ein Ausbau an, so Koch. Dies geschehe auch bereits. Bei Kabelerneuerungen würden leistungsfähigere Kabel verlegt. Auch die Umspannstation auf dem Stadtwerke-Betriebsgelände am Grenzweg sei schon für steigende Verbräuche ausgerüstet worden. Und mit einem Kabelmesswagen werde kontinuierlich der Zustand der Kabel kontrolliert.
Die Frage, die im Raum steht: Drohen auf Grund des steigenden Bedarfs Stromausfälle oder müssen Rationierungen vorgenommen werden? An einen ungeordneten Blackout glaubt Koch nicht, auch wenn es aufwendiger geworden sei, die Spannung im Stromnetz ausgeglichen zu halten. Es sei aber vorstellbar, dass man größere Kunden bittet, die Leistung etwas zu reduzieren. Allerdings dürfte das Ruhrgebiet und damit Herne kaum davon betroffen sein, weil das Stromnetz hier besonders dicht ist. Probleme könnten eher ländliche Regionen bekommen. Und bis der Endverbraucher betroffen sei, müsse erstmal viel Anderes passieren. „Beim Strom sehe ich für Herne nicht, dass es eine unsichere Situation geben könnte“, so Koch.
Eigentlich sei Herne gut aufgestellt, das zeigten regelmäßige Analysen und Simulationen, bei denen das Herner Stromnetz gemessen werde. Auch bei einem weiteren Zuwachs von Wärmepumpen und Elektromobilität dürfte es bis in die 30er-Jahre keine großen Probleme geben. „Aber nach der Entwicklung der letzten ein, zwei Jahre ist man vorsichtiger geworden mit Prognosen“, so Koch. Man müsse sich auf jeden Fall kontinuierlich mit diesem Thema beschäftigen und sich weiterentwickeln. Ein Ansatz könne sein, mit den Netzbetreibern in den Nachbarstädten zusammen zu arbeiten. Denn die Herausforderungen seien die gleichen.
>>> INTELLIGENTE ZÄHLER UND NETZE
Auf Grund des vorhergesagten steigenden Verbrauchs und der veränderten Bedingungen müssten die Stromnetze „intelligent“ werden, ebenso wie die Zähler. Bei den Netzen liegt das an der Tatsache, dass der Strom nicht mehr nur von den großen Kraftwerken bis zu den Endverbrauchern verteilt wird, sondern die Endverbraucher mit Photovoltaikanlagen selbst Strom einspeisen und so für „Gegenverkehr“ sorgen. Je mehr Anlagen in Betrieb gehen, desto häufiger müssen die Netzbetreiber regelnd eingreifen. Deshalb seien auch intelligente Stromzähler interessant, so Koch. Mit ihrer Hilfe könne man sehen, was im Netz passiert, wie sich die Verbräuche entwickeln - und könne entsprechend handeln und optimieren. Koch würde den Umstieg für Herne gerne möglichst schnell vollziehen, auch wenn es eine riesige Aufgabe sei.