Herne/Bochum. Eine Ärztin des Herner Marienhospitals ist wegen fahrlässiger Tötung eines Babys verurteilt worden. Der Richter kritisiert auch das Krankenhaus.
Es müssen dramatische Momente gewesen sein: Vor etwas mehr als vier Jahren ist im Marienhospital Herne ein kleines Mädchen zur Welt gekommen, das keine Überlebenschance hatte. Daran soll vor allem die damalige Ärztin auf der Geburtsstation schuld sein. Am Donnerstag ist die 34-Jährige wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen zu einer Geldstrafe in Höhe von 15.000 Euro (150 Tagessätze) verurteilt worden.
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Richter Thorsten Fülber sprach bei der Urteilsbegründung der 1. Strafkammer des Bochumer Landgerichts von einem „besonders tragischen Geschehen“. Auch die Mitglieder des Gerichts seien „emotional stark berührt“ gewesen. Alle seien sich bewusst, dass keine Sanktion, die das Strafgesetzbuch kenne, den Verlust und den Schmerz der Eltern aufwiegen könne.
Einschätzung sei grob fehlerhaft gewesen
Dass das Baby sterben musste, sei Folge einer „grob fehlerhaften Einschätzung“ der Ärztin gewesen. Laut Urteil hätte die Angeklagte schon rund vier Stunden vor der Geburt erkennen müssen, dass die Geburt aufgrund einer Sauerstoffunterversorgung einen dramatischen Verlauf nehmen könnte. Sie habe jedoch keine weiteren Maßnahmen eingeleitet und stattdessen abgewartet.
„Bei einem Kaiserschnitt zu diesem Zeitpunkt wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein gesundes Kind zur Welt gekommen“, so Richter Fülber bei der Urteilsbegründung. Selbst bei einem Kaiserschnitt zwei Stunden später hätte das Kind noch überleben können, auch wenn es möglicherweise schon Schäden davongetragen hätte.
Kein Herzschlag, keine Atmung
Die Angeklagte hätte die Situation auch den werdenden Eltern mit Nachdruck erklären und sofort den Chefarzt hinzurufen müssen. Beides sei nicht passiert. Die Eltern selbst hätten die Dramatik überhaupt nicht erkannt, weil ihnen zuvor immer signalisiert worden sei, dass alles weitgehend in Ordnung sei.
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Tatsächlich sei die Lage für das ungeborene Kind lebensgefährlich gewesen. Das Baby war schließlich mit einer Saugglocke geholt worden. Es hatte bei der Geburt keinen Herzschlag und keine Atmung, musste sofort reanimiert und in die Kinderklinik nach Witten gebracht werden. Doch auch dort konnten die Ärzte nichts mehr tun. Das kleine Mädchen war rund anderthalb Tage später verstorben.
Kritik an der Klinik
Das Gericht übte allerdings auch Kritik am Marienhospital. Dort seien die Ereignisse des 2. August 2018 nicht ausreichend aufgearbeitet worden. „Insoweit ist die Ärztin auch ein stückweit allein gelassen worden“, so Fülber. Die Ärztin selbst hatte unter Tränen erklärt, dass sie sich große Vorwürfe mache, weil sie nicht mit Nachdruck auf einem Kaiserschnitt bestanden habe. Die 34-Jährige ist voller Selbstzweifel und arbeitet nur noch auf 65 Prozent. Bis zu dem dramatischen Todesfall war es in ihrem Leben nur bergauf gegangen. Im Urteil war von einer „Überfliegerin“ die Rede, die ihre Ausbildung mit „Schallgeschwindigkeit“ absolviert habe.