Herne. Ein Dortmunder ist nach einem Taser-Einsatz durch die Polizei gestorben. Warum gefordert wird, dass dies auch für Herne Konsequenzen haben muss.
Nach einem Taser-Einsatz der Polizei gegen einen randalierenden Mann am 19. Oktober in Dortmund stirbt der 44-Jährige kurz darauf im Krankenhaus. Die Ermittlungen dauern an. In Herne wird nun nach dem Vorfall die Forderung laut, dass diese erst Ende September in der hiesigen Kreispolizeibehörde – Herne, Bochum, Witten – eingeführten Elektroschock-Pistolen vorerst nicht benutzt werden sollen.
Herner Grüne sehen sich bestätigt
Die Ratsfraktion der Herner Grünen sieht ihre Befürchtungen durch den Tod des wohnungslosen Dortmunders bestätigt: „Wir sehen in der Ausstattung der Polizei mit Tasern das große Risiko, dass der Eindruck einer vermeintlich ungefährlicheren Waffe die Hemmschwelle des Gebrauchs senkt, obwohl der Taser-Einsatz bei bestimmten Vorerkrankungen, der Einnahme bestimmter Medikamente oder anderer Substanzen schwerwiegende oder sogar tödliche Folgen haben kann“, erklärt Grünen-Ratsherr Justus Lichau. Der tragische Vorfall müsse „sofortige Konsequenzen“ nach sich ziehen. Konkret fordern die Grünen eine unabhängige Untersuchung des Einsatzes und eine Unterbrechung der bis 2024 laufenden Testphase in NRW.
Die Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Dortmund und die Polizei Recklinghausen – diese sind bei mutmaßlichen Amtsdelikten der Dortmunder Kollegen zuständig – sind derweil noch nicht abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen mitgeteilt, dass der Mann der Obduktion zufolge schwer herzkrank gewesen sei und zum Zeitpunkt des Vorfalls unter erheblichem Alkoholeinfluss gestanden habe.
Auch die Herner Linkspartei hat auf den Tod des Wohnungslosen reagiert und sich in einer Pressemitteilung wie zuvor die Grünen gegen den Einsatz der Distanz-Elektroimpulsgeräte – so der offizielle Name – ausgesprochen. „Die Gefahr, die durch Taser ausgeht, wird allgemein unterschätzt“, erklärt Linken-Vorsitzender Patrick Gawliczek und verweist auf die USA. Dort seien in den vergangenen Jahren mehr als 1000 Menschen durch den Einsatz dieser Waffen ums Leben gekommen.
Polizei drohte Taser-Einsatz bei einem Raub in Herne an
Die Zahl der bisherigen Taser-Einsätze kann das Polizeipräsidium Bochum der WAZ aus formalen Gründen nicht nennen, informiert dafür jedoch über zwei „exemplarische“ Fälle. So habe es am 17. Oktober bei einem Raub in Herne zwar keine Schussabgabe durch den Taser gegeben, dafür jedoch eine Androhung gegenüber einem Tatverdächtigen, so Polizeisprecher Jens Artschwager. Der Mann habe ein geschlossenes Klappmesser in der Hand gehalten. Der Aufforderung, das Messer fallen zu lassen, sei er dann nachgekommen und habe sich widerstandslos festnehmen lassen.
Am 19. Oktober sei der Taser in Bochum-Wattenscheid bei einer Verkehrsunfallaufnahme zum Einsatz gekommen, als ein Unbeteiligter sich den Beamten „bedrohlich und mit verdeckten Händen“ genähert habe. Der Mann sei von den Pfeilen getroffen worden, aber unverletzt geblieben. Im Nachgang sei festgestellt worden, dass ein Haftbefehl gegen ihn vorlag.
Zurück auf die politische Ebene: Es sei zu begrüßen, dass sich die Landtagsfraktion der Grünen in dieser Frage „bereits auf den Weg gemacht hat“, erklärt Grünen-Stadtverordneter Justus Lichau. „Aber auch in unserer Stadt müssen wir endlich auf politischer Ebene über die Taser diskutieren.“ Das soll am Donnerstag, 3. November, in der Sitzung des Herner Ausschuss für Bürgerbeteiligung, Sicherheit und Ordnung geschehen. Die Grünen haben das Thema Taser auf die Tagesordnung gesetzt und entsprechende Fragen formuliert – in der Hoffnung, dass ein Vertreter der Polizei an der Sitzung teilnehmen wird.
Linkspartei kritisiert „harten Kurs“ von Innenminister Reul
Und wie haben sich die seit 2021 in der Landesregierung vertretenen Grünen in Düsseldorf „auf den Weg gemacht“? Die Landtagsfraktion teilt auf Anfrage der WAZ mit, dass eine gründliche Untersuchung erforderlich sei und dass es gut sei, dass sich nun auch der Innenausschuss mit dem Vorfall befassen werde. „Potenzielle Gesundheitsrisiken des Tasers sind bislang nicht ausreichend erforscht“, so Julia Höller, innenpolitische Sprecherin der Fraktion. Deshalb habe man im Koalitionsvertrag mit der CDU die Vereinbarung getroffen, dass der Taser-Einsatz bis 2024 „ergebnisoffen und unabhängig evaluiert“ werde.
Die Linkspartei, die seit 2012 nicht mehr im NRW-Landtag angehört, kritisiert dagegen, dass der harte Kurs von Innenminister Herbert Reul (CDU) und die „beunruhigende Entwicklung“ auch unter Schwarz-Grün fortgesetzt werde. Seit Reuls Amtsübernahme seien immer mehr freiheitsgefährdende Gesetze verabschiedet worden, erklärt Hernes Linken-Chef Gawliczek.