Herne. Wegen hoher Energiekosten sehen Tageseltern in Herne ihre Existenz gefährdet. Sie fordern Zuschüsse, sonst seien Hunderte Plätze gefährdet.

Explodierende Energiekosten machen den Tageseltern in Herne schwer zu schaffen. Sie sehen ihre Existenz gefährdet, sollten sie keine Zuschüsse erhalten. In Herne gibt es derzeit rund 300 Betreuungsplätze in diesem Bereich, die somit gefährdet wären und das, obwohl in Herne schon jetzt weit über 1000 Kinder keinen Betreuungsplatz haben. Mit einer Demonstration möchten sie auf ihre schwierige Lage aufmerksam machen.

„Wenn wir keine Unterstützung bekommen, müssen wir schließen“, sagt Ursula Hemmerich, Tagesmutter in der Großtagespflege „Die Waldwichtel“ in Constantin. „Ich mache das seit 15 Jahren und ich mache es sehr gerne. Aber ich bin nicht bereit, die Energiekosten alleine zu stemmen“, betont sie. Sie rechnet mit einer Verdreifachung der Energiekosten. Bisher habe sie monatlich rund 300 Euro gezahlt, müsse also mit Kosten von bis zu 900 Euro im Monat rechnen – ohne auch nur einen Cent mehr zu erhalten.

Herne: Offener Brief an die Politik blieb weitestgehend unbeantwortet

„Wir sind den Kindergärten in vielem gleichgestellt, vor allem in den Pflichten, aber nie bei der Unterstützung“, klagt Ursula Hemmerich. Erst sei es die Seife gewesen, die sie während der Pandemie nicht bekommen haben, nun sei es ein Energiezuschuss. „Wir brauchen unbedingt Unterstützung, sonst machen wir das nicht mehr weiter. Es muss sich für uns ja auch noch rechnen.“

Bereits Anfang September hatte sich der Verein der Herner Tageseltern in einem offenen Brief an die Politik gewandt. „Wir sehen das Betreuungsangebot Kindertagespflege in Gefahr“, betonte Vorstand Hildegard Thomée. „Die stark steigenden Energiepreise sind nicht nur für Familien und Unternehmen ein Problem, sie belasten selbstständige Kindertagespflegepersonen in der Großtagespflege, in angemieteten Räumen und auch in der häuslichen Kindertagespflege.“

Hildegard Thomée, Vorstand des Vereins der Herner Tageseltern, ist enttäuscht über das mangelnde Interesse von Herner Politikern an den Existenznöten der Tageseltern nach ihrem offenen Brief.
Hildegard Thomée, Vorstand des Vereins der Herner Tageseltern, ist enttäuscht über das mangelnde Interesse von Herner Politikern an den Existenznöten der Tageseltern nach ihrem offenen Brief. © Lars Heidrich / FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Energiesparen, weniger heizen, das sei bei der Arbeit mit kleinen Kindern kaum möglich, betont Thomée gegenüber der WAZ. „Es gibt Vorgaben, wie warm die Räume sein müssen.“ Diese lägen bei 21 bis 22 Grad Celsius für die Spielräume, 24 Grad für den Wickelraum und lediglich das Schlafzimmer dürfe bei 18 Grad Celsius gehalten werden. Eigentlich seien für einige Kinder bereits die 21 Grad zu kalt, da sie noch krabbeln und gerade die Großtagespflegen im Erdgeschoss lägen und somit direkt über dem kalten Keller. Hinzu kommt die Problematik, dass wegen der Pandemie weiter regelmäßig stoßgelüftet werden soll.

Tageseltern fordern Energiezuschuss von 50 Euro pro Kind im Monat

„Ich gucke ängstlich und besorgt in die Zukunft, ob man den Betrieb aufrechterhalten kann“, sagt auch Tagesmutter Britta Hennig von der „Süder Rasselbande“ in Herne-Süd. Die finanzielle Lage der Kindertagespflege sei vorher schon knapp bemessen gewesen, funktioniere nun aber gar nicht mehr. Deshalb fordert sie einen Energiekostenzuschuss und bekommt dabei Unterstützung von der Berufsvereinigung der Kindertagespflegepersonen e.V..

Diese möchte am Freitag ein Schreiben an die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses der Stadt Herne schicken und fordern, „dass in Herne betriebene Kindertagespflegestellen einen Zuschuss in Höhe von 50 Euro pro Tagespflegekind und Monat aus Herne erhalten“. Dieser solle sich zunächst auf die Heizperiode von Oktober 2022 bis Ende März 2023 beziehen. Britta Hennig hofft auf eine kurzfristige Lösung: „Die Kosten steigen jetzt, wir brauchen auch jetzt ein Angebot.“ Und auch Hildegard Thomée betont: „Die Tageseltern haben Existenzsorgen, aber auch die Eltern haben Angst um die Plätze der Kinder.“

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Thomée bat die Politik in ihrem offenen Brief im September um eine „schnelle Lösung“, da es sonst „spätestens im Jahr 2023 durch Aufgabe zahlreicher Tagespflegepersonen zu einem rapiden Abbau der Betreuungsplätze in der Kindertagespflege“ komme. Alle Mitglieder des Ausschusses für Kinder, Jugend und Familie seien angeschrieben worden. „Leider haben wir bisher keinerlei Rückmeldung bekommen“, bedauert Thomée. „Dass es kein Signal gibt, dass man sich dem Thema annimmt, macht uns sehr traurig“, so die Vorsitzende der Herner Tageseltern. Einzige Ausnahme: Der zuständige Dezernent Andreas Merkendorf habe inzwischen ein Gespräch angeboten, das an diesem Freitag stattfinden soll.

„Die ganze Situation überfordert uns alle“, sagt Merkendorf gegenüber der WAZ. „Sie überfordert aber auch die Leistungsfähigkeit der Kommunen.“ Er wolle sich anhören, wie die Lage der Tageseltern ist, um welche Summen es gehe. Große Hoffnung auf schnelle Hilfe von der Stadt Herne möchte er aber zu seinem eigenen Bedauern nicht machen. „Mir blutet das Herz. Mir fehlen die Worte, wenn man dort keine Lösung fände, aber es kann nur eine gemeinsame Lösung aller staatlichen Akteure geben“, so Merkendorf und hofft dabei auf bundesweite Hilfsprogramme und Preisbremsen. Alleine seien die Kommunen dazu nicht in der Lage – so schlimm es auch wäre, wenn die bestehenden Strukturen in der Kindertagespflege zerschlagen würden.

>>>WEITERE INFORMATIONEN: Demonstration am Kugelbrunnen

  • Der Verein der Herner Tageseltern möchte mit einer stillen Demonstration am Dienstag, 18. Oktober, auf ihre Situation aufmerksam machen. Dazu versammeln sie sich mit Tageseltern, Eltern und Unterstützern um 15 Uhr am Kugelbrunnen an der Bahnhofstraße in Herne-Mitte.
  • Von dort möchten sie gemeinsam zum Rathaus laufen und gegen 16 Uhr vor dem Rathaus einen Brief an den Oberbürgermeister übergeben und über die Sorgen und Nöte der Tagespflegepersonen ins Gespräch kommen.