Herne. Viele Kinder, wenig Hilfe: Tageseltern in Herne sind sauer. Sie vermissen Unterstützung der Stadt und fühlen sich allein gelassen.

Die Schulen sind dicht, in die Kitas kommt derzeit nur knapp jedes dritte Kind. Anders sieht die Situation bei den Herner Tageseltern aus. Viele Tagesmütter sind deshalb verärgert und fühlen sich von der Politik im Stich gelassen.

„Bei uns sind acht von neun Kindern hier“, sagt Britta Hennig, Tagesmutter bei der Großpflegestelle Süder Rasselbande in Herne-Süd. In Herne seien es im Schnitt 64 Prozent der Kinder, sagt die Herner Sprecherin im Netzwerk Kindertagespflege NRW. Tendenz steigend. Das habe eine Umfrage ergeben. „Die angestrebten 30 Prozent von Herrn Stamp erreichen wir also nicht annähernd.“

Manche Eltern schicken Kinder ohne Not

Während sie am Telefon spricht, fängt eines der Kinder kräftig an zu weinen, und sie muss es auf den Arm nehmen, ihm Trost spenden. Sie gibt den Kindern Nähe in einer Zeit, in der Abstand halten angesagt ist. Und sie macht es gerne, wie sie selbst sagt.

Viele Eltern seien berufstätig, die Betreuung gerade der ganz Kleinen fiele selbst im Homeoffice schwer. Dafür hat Britta Hennig Verständnis. „Doch weiß ich auch um Kollegen, wo Kinder gebracht werden, weil die Eltern den Tannenbaum noch abschmücken müssen, oder sich die Haare färben wollen, oder es eben geöffnet ist und man so seine Ruhe hat.“ Ihnen fehle ein Stück weit die Solidarität, bedauert die Tagesmutter.

"Appell an die Eltern reicht nicht aus"

Der Appell des NRW-Familienministers Joachim Stamp reiche deshalb nicht. „Wir würden uns wie im ersten Lockdown wünschen, dass es wieder nach Systemrelevanz geht, nach Kindswohlgefährdung und Hilfe für Alleinerziehende“, sagt Britta Hennig. Klare Regeln wären für die Politik nicht einfach, aber den Tageseltern würden sie die Arbeit erleichtern.

„Die Tagespflege wird von der Politik nicht genug beachtet“, sagt auch Ursula Hemmerich. Die gelernte Erzieherin ist Tagesmutter in der Großtagespflege „Die Waldwichtel“ in Constantin. Auch hier kommen acht von neun Kindern weiter in die Betreuung. „Ich glaube, dass sich viele keine Gedanken darüber machen, dass es für uns auch gefährlich ist“, bedauert sie.

Mail an die Stadt blieb unbeantwortet

Mails an die Stadt mit der Bitte um Unterstützung in Form von Alltagshelfern wie bei den Kitas oder Desinfektionsmittel und Seife seien unbeantwortet geblieben. Die Mehrkosten müsse sie alleine tragen. Dabei stelle die Stadt die Tagespflege immer mit der Betreuung in einer Kita gleich, setze zu Recht hohe Ansprüche an die Tageseltern. „Wir sind ein verlässlicher Stützpfeiler in der Kinderbetreuung in Herne", sagt Ursula Hemmerich. Da hätte sie sich ein bisschen mehr Unterstützung gewünscht. „Ich fühle mich manchmal allein gelassen.“

So geht es auch Britta Hennig. Sie stellt stellvertretend für die Herner Tageseltern zwei Forderungen, um die Tagesmütter zu entlasten: „Alle kranken, symptomatischen Kinder müssen getestet werden.“ Schnupfen und Husten sei bei den Kleinkindern derzeit keine Seltenheit. Beim Kinderarzt würden die Kinder aber ohne Test häufig gesund geschrieben und sie habe keine Handhabe. Das Kind dürfe wieder in die Betreuung kommen.

Forderung: Tagesmütter sollten früher geimpft werden

Zum anderen: "Wir wünschen uns von der Politik eine Höherstufung auf der Impfrangliste." Derzeit stünden sie in Kategorie 3. Im Umgang mit den Kindern könnten sie aber keinen Abstand halten. Die Impfung sei die beste Alternative zum eigenen Schutz und dem der Familie. Denn manchmal fühle es sich schon komisch an, sagt Ursula Hemmerich: "Meine eigene Familie kann ich zum Teil nicht sehen, soll aber die Kinder von acht Familien betreuen."

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Einige Tagesmütter in Herne überlegten bereits aufzuhören, da sie ihren Job und die Betreuung der eigenen Kinder nicht mehr unter einen Hut bekämen, sagt die Erzieherin der "Waldwichtel". Das schöne Miteinander mit den Eltern gehe zudem verloren. Teilweise werde das Verhältnis durch die aktuelle Situation belastet. "Das ist eine traurige Zeit", sagt Ursula Hemmerich. Für alle Beteiligten.

>>>SITUATION IN DER TAGESPFLEGE:

- NRW hat zwar den Betreuungsumfang für Kita-Kinder im Pandemie-Betrieb um zehn Stunden reduziert, nicht aber den in der Tagespflege.

- Zwar habe Familienminister Stamp appelliert, die Kinder in Großpflegestellen möglichst getrennt zu betreuen, das sei aber aus räumlichen Gründen gar nicht möglich, sagen beide Tagesmütter aus Herne.

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