Herne. Im Herner Gründerzentrum hat das 5. Azubi-Speeddating stattgefunden. Das offenbarte: Unternehmen suchen fast verzweifelt nach Auszubildenden.

Für viele Herner Jugendliche hat im August und September die Ausbildung begonnen, doch die Vermittlung von Lehrstellen wird unvermindert fortgesetzt – am Donnerstag mit dem 5. Herner Azubi-Speddating des Herner Bündnisses für Arbeit. 44 Unternehmen bewarben sich im Innovations- und Gründerzentrum bei den jungen Menschen von acht Herner Schulen.

Was sich angesichts des demografischen Wandels längst angebahnt hat und sich in den kommenden Jahren verschärfen wird: Der Ausbildungsmarkt ist gekippt. Junge Menschen können unter freien Lehrstellen wählen, die Firmen müssen sich im besten Licht präsentieren, um Nachwuchs zu ergattern. Drei Firmenvertreter bestätigen im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion, dass sie sich quasi bewerben.

„Wir nehmen, was wir kriegen“

Wie Andrea van Dillen, Ausbildungsleiterin bei Malzers Backstube. Dabei hat sie in diesem Jahr 51 Azubis unter Vertrag genommen – doch das Ziel waren 70. Und im Mai gab es erst 20 Zusagen. „Es hätte schlimmer kommen können“, so van Dillen. Das Speeddating nutzt sie bereits für die Rekrutierung für das Jahr 2023. Um sich attraktiver für Azubis zu machen, hat sich Malzers als „Best Place to learn“ zertifizieren lassen. Befragungen von ehemaligen Azubis und Ausbildern hätten Details offenbart, die nicht optimal seien. Dort werde nun nachgebessert. Um als Arbeitgeber die Anziehungskraft zu erhöhen, zahle Malzers allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Euro pro Stunde über Tarif und gewähre 40 Prozent Mitarbeiterrabatt. Hinzu käme ein steuerfreier zusätzlicher Gehaltsanteil in Höhe von 50 Euro, den Mitarbeiter für verschiedene Dinge verwenden können.

Melisa Bas (r.) und Emre Uyar, beide von der Firma Adams Armaturen, stellen Malik Uysal die Ausbildungsmöglichkeiten im Herner Unternehmen vor.
Melisa Bas (r.) und Emre Uyar, beide von der Firma Adams Armaturen, stellen Malik Uysal die Ausbildungsmöglichkeiten im Herner Unternehmen vor. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Da agiert der Dachdeckerbetrieb Klute noch auf einem anderen Niveau. Erst seit wenigen Jahren sind die Fahrzeuge des Betriebs mit dem Firmenlogo versehen, die Teilnahme am Speeddating sei eine Premiere, so Dachdeckermeister Sebastian Faber. Die Zeit der Stapel mit Bewerbungsmappen sei vorbei, aktuell habe ein Azubi seine Lehre begonnen, drei bis vier könne er noch einstellen. Faber: „Wir nehmen, was wir kriegen können.“ Ein Motto, nach dem viele Firmen handeln dürften.

Es gibt mehr offene Lehrstellen als Bewerber in Herne

Auch PAC Gasservice ist auf der Suche. Die Konstellation, die Prokurist David Merz schildert, könnte in den nächsten Jahren zur Regel werden. Der Produktionsleiter habe eigentlich das Rentenalter erreicht, doch er arbeite weiter. Auch PAC habe Probleme, Nachwuchs zu finden. Wer sich für das Unternehmen entscheide und entsprechend motiviert sei, habe die Übernahme schon fast sicher. Merz: „Wir versuchen, alles möglich zu machen.“

Die Erfahrungen der Unternehmen spiegeln sich in den Zahlen der Agentur für Arbeit wider. In Herne gebe es mit 903 gemeldeten Ausbildungsstellen die höchste Zahl seit mindestens zehn Jahren, so Agentur-Chef Frank Neukirchen-Füsers. Das seien 165 mehr als im vergangenen Jahr. Auf der anderen Seite gebe es 1355 Bewerber, auch mehr als im Vorjahr. Und aktuell gebe es mehr offene Ausbildungsstellen als junge Leute, die eine Lehrstelle suchen, so Neukirchen-Füsers. 220 unversorgten Bewerbern stünden 283 offene Stellen gegenüber. Sein Appell: Wer noch suche, solle sich an die Jugendberufsagentur wenden, es gebe für fast alle Ausbildungsberufe freie Stellen.

Hernes OB: Eine Ausbildung trägt zur sozialen Absicherung bei

Katja Fox präsentierte für die IHK-Berufe ebenfalls sehr positive Herner Zahlen. Die Kammer registrierte bei den abgeschlossenen Ausbildungsverträgen ein Plus von 12,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – im kaufmännischen Bereich 5,5 Prozent und im industriell-technischen Bereich ein Plus von 24,8 Prozent. Damit sei die „Corona-Delle“ deutlich überwunden.

Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda betonte erneut, wie wichtig eine Ausbildung für die individuelle Entwicklung sei. Wer eine Ausbildung vorweisen könne, sei sozial abgesichert. Das sei extrem wichtig. Und Dudda wies darauf hin, dass in der Statistik der Arbeitsagentur die Auszubildenden in den vielen Gesundheitsberufen in Herne gar nicht registriert seien. Dudda: „Wir sind mit dem Bündnis für Arbeit auf dem richtigen Weg.“ Und dieser solle fortgesetzt werden.

>>> KEINE SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER VON GYMNASIEN

■ Fast 300 Schülerinnen und Schüler haben am Herner Azubi-Speeddating teilgenommen, so Elke Borkenstein, Leiterin Kommunale Koordinierungsstelle „Kein Abschluss ohne Anschluss“ bei der Stadt Herne. Diese Jugendlichen hätten sich im Vorfeld informiert und seien gezielt gekommen.

■ Etwas irritierend: Acht Schulen haben Schülerinnen und Schüler geschickt, alle Herner Gymnasien glänzten durch Abwesenheit.